Donnerstag, 6. April 2023

Der passende Rucksack

Die Odyssee oder die Suche nach dem passenden Rucksack


Der Rucksack war und ist für mich der am schwersten auszuwählende Gegenstand von allen. Schon als Kind tat ich mich schwer damit, Gewicht zu tragen und litt unter Schmerzen, während ich meinen Schulrucksack trug. Das führte dazu, dass ich als erwachsene Frau versuchte bei Tageswanderungen den Rucksack so minimalistisch und klein wie möglich zu halten. Entweder nahm ich nur sehr wenig mit oder mein Mann trug meine Sachen in seinem Rucksack. Eine Mehrtageswanderung hätte ich mir damals höchstens mit Gepäcktransport vorstellen können. Ihr merkt, die Vorstellung einen schweren Rucksack tragen zu müssen, war für mich schon früher ein Grauen. Tja, so ist es im Prinzip leider auch geblieben. Doch, was tut man, wenn man eine Trekkingtour machen möchte und Lebensmittel für sieben Tage oder noch länger mitnehmen muss? 

Man hält sein Ausrüstungsgewicht klein und sucht nach einem Rucksack, der die Last möglichst komplett auf das Becken überträgt!

Bei meinem ersten Kauf war ich zu optimistisch. Im Sportfachgeschäft ließ ich mir beraten und man setzte mir einen Deuter Trek Lite 45+10 in der Damenvariante auf und stellte ihn auf meinen Rückenlänge ein. Damit er etwas Inhalt bekam, stopfte ich meine Winterjacke rein und der Verkäufer fügte noch ein Kletterseil hinzu. So hatte der Rucksack max. drei kg Zuladung und fühlte sich traumhaft an. Das böse Erwachen kam erst, als ich ihn tatsächlich mit insg. 14 kg auf einer Tour trug. Anschließend spielte ich an den Einstellungen herum und reduzierte sukzessive mein Ausrüstungsgewicht. Doch selbst mit 8kg war der Rucksack nur kurzfristig komfortabel, bei längerem Tragen schmerzten meine Schultern. Da fiel mir zum ersten Mal ein Problem auf, welches mich noch lange begleiten sollte: Die Schultergurte drücken an der Halsseite, während die äußere Seite abstand.

Anschließend probierte ich es mit dem rahmenlosen ultraleicht Rucksack "Tutor" von der chinesischen Firma 3F UL. Zunächst erfolgreich, denn aufgrund der weichen Polsterung, trugen sich die 8kg angenehmer als mit dem Deuter. Doch viel mehr konnte ich damit auch nicht tragen, ohne dass mir die Schultern schmerzten. Aber welche Tour soll ich denn mit max. 8 kg machen?? Tja, da bleib mir nichts mehr übrig, als weiter zu suchen. 

In den nächsten zwei Jahren probierte ich folgende Rucksäcke aus, jeweils mit 8 kg und 12 kg und 14 kg Zuladung. Dadurch habe ich einiges an Erfahrung sammeln können und vielleicht hilft dem ein oder anderen meine Erfahrungsberichte. Vorweg möchte ich darauf hinweisen, dass ich aufgrund meiner steil abfallenden Schulterform und meines großen Unterschieds zwischen Taille und Becken eine Körperform habe, die nur wenige Hersteller im Blick haben.

Hier der Erfahrungsbericht:  

- Osprey Exos 58

- Osprey Eja 58

Der Eja saß minimal besser und wurde auf einer Wochenend-Tour getragen. Beide haben zwar eine grandiose Polsterung an den Schultergurten, doch aufgrund des Netzrückens zieht das Gewicht stark nach hinten - so landet es dann doch wieder vermehrt auf den Schultern. 

- Deuter Aircontact 65+10 SL

Mit dem Rucksack trägt mein Mann problemlos 20kg, doch bei mir treten die gleichen Probleme auf wie bei dem Deuter Trek Lite 45 + 10. 

- ÜLA Circuit

Die Ausstattung von dem Rucksack ist klasse, doch die Lastübertragung empfand ich eher als naja. Mit mehr als 10kg Zuladung rutschte mir der Hüftgurt permanent von der Hüfte runter und der Rucksack lag mehr auf dem Gesäß als auf dem Becken auf. Auch der Rucksackboden beulte sich stark nach unten aus, egal wie sorgfältig ich ihn packte. Die Schultern fühlten sich zwar trotzdem ok an, aber der schlechte Sitz auf dem Becken störte mich. 

- HMG 3400 Windrider

Auch hier gefiel mir die Ausstattung sehr gut. Die Lastübertragung war zwar ok und der Hüftgurt sitzte etwas stabiler, aber die Passform war für mich sehr ungünstig. Ähnlich wie bei dem Deuter drückten die Schultergurte bei mir an der Halsseite, während die äußere Seite vom Körper abstand. Komfortabel ist das nicht. 

- Exped Lightning 60

Der Hüftgurt saß anfangs für mein Gefühl sehr gut und übernahm viel Last. Die Schultergurte drückten nur ganz leicht und somit nutzte ich dieses Modell auf mehreren längeren Touren. Doch der Tragekomfort verschlechterte sich alsbald und Veränderungen an den Einstellungsmöglichkeiten schufen nur zwischenzeitlich Abhilfe. Wieder hatte ich mit teils starken Schulterschmerzen zu kämpfen. Erst später fiel mir auf, dass der Hüftgurt bei Lasten über 10kg nur noch mäßig hielt, er neigte immer mehr zum rutschen. Auch das Volumen war im Prinzip zu groß. Bis 10kg funktionierte er aber weiterhin gut. 

- Vaude Zerum 48

Ein anderer Hersteller, neues Glück? Leider nicht, denn die Lastübertragung passte bei über 10kg nicht mehr. Kein Wunder, denn der Hüftgurt umschloss meine schmale Körperform mehr schlecht als recht, es bildeten sich Lücken. Dabei ist die schmale und hohe Bauart an sich toll. 

- Granite Gear Blaze 60 Womens

Mit 8kg Zuladung trug er sich traumhaft, doch mit 12kg änderte sich das Bild massiv: Der Hüftgurt rutschte so viel wie kaum ein anderer, auch beulte er an der Unterseite ähnlich wie der ÜLA komplett durch. Zwar wirbt Granite Gear mit frauenspezifischen Modellen, doch die frauenspezifische Bauart konnte ich bei dem Blaze 60 nur bedingt nachvollziehen. Der Hersteller achtet zwar darauf, sehr viele Einstellungsvarianten anzubieten, doch der Hüftgurt ist ebenso gerade geschnitten wie bei dem Männermodell. 

- Bergans Helium 55 W

So manche positive Erfahrungsberichte schöpften Hoffnung. Der Rucksack selbst ist auch tatsächlich nicht schlecht, das Tragesystem wirkt stabil und die Ausstattung praktisch. Zudem lässt sich die Rückenlänge kinderleicht auf den eigenen Körper einstellen. Sogar der Hüftgurt ist für die weibliche Anatomie angepasst und sitzt besser als viele andere. Blöderweise lässt er sich für schlanke Menschen nicht eng genug ziehen, ich war gerade an der Grenze und musste ich maximal straff ziehen. Auch störte mich der leichte Zug an der vorderen Schulterpartie? Ob dieser weg wäre, wenn der Hüftgurt kleiner wäre?

- Sierra Designs Flex Capacitor 40-60

Dieser Rucksack wird von vielen als Lastenesel unter den leichteren Rucksäcken gelobt, 20kg soll er packen. Und er trug sich tatsächlich komfortabler als alle anderen Modelle, die ich zuvor aufgelistet habe. Zum ersten Mal saß sogar ein Rucksack komfortabel an den Schultern. Denn beim Flex Capacitor sind die Schultergurte an einem Stück Gurtband aufgehängt und passen sich dadurch sehr gut der individuellen Schulterform an. Doch das Problem mit dem rutschenden Hüftgurt hatte ich auch hier, wenn auch nur mäßig, da dieser sehr gut gepolstert ist. Dennoch lag das Gewicht v.a. auf dem Gesäß und ich spürte einen leichten Zug an der vorderen Schulterpartie. 

- Gossamer Gear Mariposa

Ein leichter Rucksack, mit top Ausstattung und gutem Tragesystem? Genau dies ist der GG Mariposa. Das Tragesystem des leichten Rucksacks (ca. 900g) hat mich positiv überrascht. Die Lastübertragung klappte erstaunlich gut, selbst 12kg trugen sich besser als mit den meisten Modellen. Beinahe hätte ich ihn behalten. Doch leider war auch der Hüftgurt bei diesem Modell für meine Form ungünstig geschnitten und rutschte nach unten. Es bildeten sich die bekannten Lücken zwischen Beckenkamm und Hüftgurt, die ich bei allen gerade geschnittenen Hüftgurt festgestellt habe. Der leichte Zug vorne an den Schultern entstand ebenfalls, war aber gering ausgeprägt. Ganz abgeschrieben habe ich ihn trotzdem nicht. 

- Atompacks The Mo

Lange habe ich hin- und her überlegt, denn den Rucksack kann ich nur im außereuropäischen Ausland kaufen. D.h. Steuern und Zoll fallen an! Die Ausstattung ist perfekt und der Rucksack liegt satt am Rücken an. Ich mag es nämlich gar nicht, wenn Abstand zwischen Rücken und Rucksack ist, denn dadurch fühlt sich der Rucksack insgesamt schwerer an. Die Lastübertragung empfand ich vom Niveau her wie bei dem GG Mariposa, aber der Hüftgurt passte genauso schlecht zu meiner Form. Auch die Schultergurte lagen nicht ganz gleichmäßig an. Dies konnte ich durch eine kleine zusätzliche Naht an der Aufhängung der Schultergurte ändern. Die dünnen Gurte, die man zum sichern des Hauptfachs verwendet, konnte ich stattdessen unterhalb der Brust am Körper befestigen und dadurch den leichten Zug vorne an den Schultern (den ich bisher bei jedem Rucksack gefühlt habe) drastisch reduzieren. Die Anbringung des Hüftgurts ist hier praktischer, denn ein passender Hüftgurt hat hier die Möglichkeit das Becken komplett zu umschließen. Dies konnte ich jedoch vor kurzem erst mit einem selbstgenähten Hüftgurt umsetzen, der an der Oberseite einen deutlich kleineren Umfang hat, als an der Unterseite. 



Der erste Test ist ausgesprochen positiv, zum ersten Mal hält ein Hüftgurt den Rucksack stabil auf meinem Becken. Mein Langzeitbericht wird folgen. 




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