Sonntag, 17. Juli 2022

Warum überhaupt Weitwandern?

Warum überhaupt weitwandern – und die Frage nach dem Sinn des Lebens



Diese Frage wurde mir schon oft von Freunden und Verwandten gestellt. Erfahrene und langjährige Weitwanderer sind manchmal genervt von dieser immer wieder kehrenden Frage. Doch wenn man sich die Mühe gibt, sich in die weniger wanderaffinen Personen oder auch Thruhiking-Neulinge hineinzuversetzen, ist diese Frage völlig verständlich. Schließlich muss während einer Weitwanderung seine Komfortzone verlassen und auf viele Annehmlichkeiten im Alltag, wie z.B. tägliches duschen, schlafen im eigenen Bett, gemeinsam verbrachte Zeit mit Freunden und Familie, verzichten. Stattdessen läuft man jeden Tag mehrere Stunden zu Fuß, kämpft ggf. mit Blasen an den Füßen, riecht nach Schweiz, ist Wind und Wetter ausgesetzt und muss mit dem, was in den Rucksack passt, auskommen usw. Da kann man schon auf die Idee kommen, dass dies ein verrücktes Unterfangen ist.



Warum also all diese Strapazen auf sich nehmen, wenn man es daheim oder auf Tagestouren doch viel bequemer hat?! Und was bitteschön hat der Sinn des Lebens damit zu tun?


Zugegeben ist dies ein wenig gewagt formuliert – aber nur ein wenig. Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist schließlich eine vielfach diskutierte Frage. Meine Meinung nach gibt es keinen Sinn des Lebens, den das Schicksal oder eine höhere Macht für uns ausgewählt hat. Jemand, der gläubig ist, mag und darf dies anders sehen. Wenn es kein von oben gegebenes Ziel gibt, dann sollte man sich seine Ziele selber aussuchen.


Tja, blöderweise heißt ein bequemes Leben nicht, dass dies einen glücklich und zufrieden macht. Stattdessen habe ich persönlich das Gegenteil erlebt – die Annehmlichkeiten im Alltag selbstverständlich und waren somit weniger zufriedenstellend. Erst die Anstrengung und auch die Entbehrungen auf längeren Touren haben zu einer durchgängig stärkeren Zufriedenheit geführt – die ansonsten alltäglichen Freuden der Zivilisation wurden zu etwas besonderem. Eine warme Dusche ist nicht mehr Teil einer täglichen Hygiene, sondern wird zu einer Wohltat. Eine Nacht in einem weichen Bett wird zu einem Genuss. Eine warme Mahlzeit wird zu einem Ereignis, auf das man sich viele Stunden vorher freut. 


Zudem ist die Chance beim wandern hoch in einen Flow zu kommen. Ein Flow ist ein Zustand, in dem man sich optimal gefordert fühlt, die Zeit vergisst und sich stark auf die aktuelle Aktivität konzentriert. Dies wird allgemein als sehr erfüllend erlebt und die meisten Menschen wünschen sich, solche Zustände möglichst häufig zu erleben.


Ein Flow-Zustand tritt besonders häufig auf, wenn viele von den Folgenden Kriterien erfüllt werden:

- es gibt ein klar definiertes Ziel

- das am besten selbstgewählt ist oder einem zumindes gefällt

- es gibt eine direkte Rückmeldung darüber, ob man erfolgreich ist oder nicht

- eine Aktivität, die einen fordert, aber nicht überfordert

- man hat das Gefühl Kontrolle über die Situation zu haben

- wenig Ablenkung von außen


Dies alles trifft beim wandern oftmals zu, kann man doch viele der oben genannten Kriterien aktiv beeinflussen. Freilich kann man dies nicht nur beim Weitwandern erreichen. Es ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Welche Möglichkeiten für einen persönlich am besten sind, muss jeder für sich herausfinden. 


Zusätzlich hat für mich das Weitwandern auch noch ein paar andere Vorteile. So lernt man z.B. die auf diese Art bereisten Länder sehr intensiv und gleichzeitig langsam kennen. Fährt man hingegen mit dem Auto durch, verpasst man einiges. Außerdem kommt man so automatisch auch in weniger touristisch beliebte Regionen und kann Einsamkeit erleben. Auch das viele draußen sein in Verbindung mit der tollen Natur ist für mich ein sehr wichtiger Faktor. Die schönsten Flecke erreicht man meistens nur zu Fuß. 








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