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Dienstag, 27. September 2022

Sentiero Italia Etappe 6: Kampanien Teil 2


Sentiero Italia Etappe 6: Kampanien Teil 2 


Montesarchio - Senerchia (125 km & 6200 hm)


Maronenplantagen und Buchenwälder


Aussicht bis zum Meer


In Montesarchio startete ich erst spät, da ich noch meinen ersten Blogbeitrag über Kampanien fertigstellen wollte. Erst um 10:30 Uhr kam ich daher los. Das Haus in dem sich mein Zimmer befand, hatte ich an dem Morgen für mich alleine. Nur die Hauskatze war da und forderte Streicheleinheiten ein. 

Der Beginn dieses Wandertages war nervig, denn zuerst musste ich rund sechs Kilometer neben einer viel befahren Straße laufen. Trotz Podcast wirkte sich dies negativ auf meine Laune aus. Als ich diesen Abschnitt endlich hinter mich hatte, führte eine schmale und wenig befahrene Asphaltstraße bergauf bis zu einem naturbelassenem Waldgebiet mit einem hohen Anteil an Maronenbäumen. Meine Snackpause fiel mückenbedingt sehr kurz aus. 




Doch der Weg war schön und führte mal mehr, mal weniger steil bergauf. Beim Rifugio Mafariella gab es einen sehr großen Picknickplatz. Dort waren unzählige italienische Familien am grillen. Dort suchte ich mir einen freien Tisch und machte meine Mittagspause im Schatten der großen Fichten. 

Anschließend ging es für mich auf schmalen Waldpfaden durch zumeist Buchenwald weiter bergauf. Der Weg war gut markiert und an sich in gutem Zustand. Manchmal aber lagen umgefallene Bäume auf dem Weg. Auf etwa 1200m erreichte ich eine Forststraße, auf der es bis zum Rifugio Aqcua delle Vene ging. Dort füllte ich meine Wasserflaschen auf. Genervt entdeckte ich, dass ich laut meinem GPS-Track etwa 2km wieder zurück laufen sollte, um dann einen Weg zu nehmen, der oberhalb vom Rifugio entlang führt. Darauf hatte ich aber keine Lust und nahm einen anderen Weg, der direkt hoch zu dem anderen Weg führen sollte. Dieser alternative Weg war sehr gut markiert, doch der Weg selbst hörte irgendwann auf. Dank der guten Markierungen, konnte ich diesen einfach folgen. 



Zurück auf dem SI lief ich nun am Grat entlang und konnte bis nach Neapel und weiter schauen. Grandios! Auf einem Fleckchen Gras machte ich eine kurze Verschnaufpause und genoss den tollen Ausblick. 



Der SI führte am aussichtsreichen Hang auf einem sehr schmalen, teils nicht vorhandenen, Weg entlang. Dieser mündete in einer Asphaltstraße, die mich vorbei an der verschlossen Forcelle-Hütte führte. Auf der Wiese daneben, schlug ich nach 24km mein Zelt auf. 



Esskastanien & Haselnüsse


In dieser Nacht fand ich es zum ersten Mal kalt. Zuvor waren alle Nächte relativ warm gewesen. Der Herbst kommt...

Weiter ging es zunächst leicht bergan auf breiten Wanderwegen durch schönen italienischen Buchenwald. Generell gibt es sehr viele Buchenwälder in Italien. 

Was sah ich denn da? Am Wegesrand hat jemand einen knallroter Pink-Lady-Apfel liegen lassen. Krass! Darüber freute ich mich so richtig. Vitamin-Trail-Magic!



Der Weg führte auf einem schmalen, aber gut markierten Pfad an einem aussichtsreichen Hang mit Ausblick bis zum Meer entlang. Die Wolken sind nur ein wenig im Weg. Toll! Kurz darauf ging es zurück in den Wald und zur Wallfahrtskirche "Santuario Montevergine". 



Die Kirche sah innen sehr kunstvoll aus, aber da gerade ein Gottesdienst stattfand konnte ich keine Fotos machen. Ich lauschte ein wenig den klangvollen Gesängen und Gebeten auf italienisch, bevor ich weiterlief. Die Asphaltstraße musste ich zum Glück nicht nehme, denn es gibt einen gut ausgebauten Wanderweg, der nach unten führt. Über diesen gelang ich in unzähligen Kehren bis zum Weiler Capocastello. In dessen labyrinthartigen Gassen verirrte ich mich, bevor ich den Weg heraus fand. 



Durch Maronen-Plantagen führte mich der SI hinab ins Industriegebiet in der Nähe von Avellino. Dort fand ich einen Bäcker, wo ich nicht nur Pizza, sondern auch gebackene Auberginen kaufte. Statt Maronen wurden hier im Tal Haselnüsse angebaut. 



Das gekaufte Mittagessen verspeiste ich später auch einer Bank in der Sonne. Dort passierte dann etwas ungewöhnliches. Ein älterer Mann, der mich kurz vorher schon gefragt hatte, ob ich eine Mitfahrgelegenheit brauche, sah mich erneut und kam auf mich zu. Als er erfuhr, dass ich eine Langstreckenwanderung mache und im Zelt schlafen werde, bot er mir an, mit in sein Haus zu kommen. Er sprach Englisch und wirkte wirklich nett. Doch ich war unsicher und wollte lieber weiterlaufen. Trotzdem bedanke ich mich für das nette Angebot. 

Nach dem Mittagessen lief ich weiter bergauf durch die Maronenplantagen. Die Wegführung war teils etwas verwirrend, da sie nicht komplett durchgängig markiert war und die Plantagen selbst auch noch über eigene Wege verfügten. 



Irgendwann wurde dies aber wieder besser und nach etwa 400hm ging es auch wieder bergab nach Contrada. Es gab auch schöne Ausblicke über das Tal rund um Contrada.

Dort geht eine Extra-Etappe vom SI ab, die in Richtung der Halbinsel südlich von Neapel verläuft. Vor Beginn der Tour hatte ich in Erwägung gezogen, diese zu gehen. Damals gab es noch keine englischen Beschreibung. Inzwischen gibt es diese und so erfuhr ich, dass der Weg oftmals in sehr schlechtem Zustand ist. Aus dem Grund sah ich davon ab. 

In Contrada funktionierte der Wasserspender nicht. Eine ältere Dame rief mir vom Balkon etwas zu, doch ich verstand leider nicht sehr viel. Kurz darauf sah ich einen jungen Mann, der den Boden einer Baustelle mit einem Wasserschlauch abspritzte. Kurzerhand hielt ich ihm zwei Wasserflaschen hin und ließ diese befüllen. 

Hinter dem Dorf Contrada musste ich auf einer Asphaltstraße weiterlaufen. Sie führte an vielen Plantagen mit Haselnusssträuchern und Maronenbäumen vorbei. Zwischendurch wechselte mein Weg über in eine schmale Forststraße, die relativ verwildert aussah. Schon bald war ich jedoch wieder auf Asphalt unterwegs. Da es schon bald dunkel werden würde, hielt ich Ausschau nach einem Platz für mein Zelt. In der Nähe von Straßen ist das oft  nicht so einfach. Doch diesmal fand ich in einem ganz kleinen Eichenwald ein kleines Plätzchen, wo mein Zelt gerade so hinpasste. Da ich sofort von nervigen Stechmücken belästigt wurde, beeilte ich mich ins Zelt zu krabbeln. 29km hatte ich geschafft. Diese Nacht war wieder wärmer. 




Gut markiert, aber kein Weg


Auch diesmal begann der Tag mit einer Asphaltpassage. Diese dauerte aber nicht mehr so lange, denn über wenig markierte und teils verwirrende Wege gelangte ich bergab nach Serino. Zuvor hing es noch an einer verfallenen Kirche vorbei. 




Dort gab es auch einige Haselnussplantagen. Auf einer waren die Besitzer gerade dabei die Haselnüsse und die Blätter am Boden zusammen zu fegen und jemand anderes saugte alles mit einer Maschine auf. An diese waren Säcke montiert, die von der Maschine befüllt wurden. 

In Serino kaufte ich im örtlichen Supermarkt ein. Diesmal fand ich sogar etwas, was ich hier erhofft, aber bisher nicht gefunden hatte: Haselnussmus. Die Mitarbeiter im Supermarkt wurden auf meinen großen Rucksack aufmerksam und fragten mich nach dem nächsten Berg. Interessiert schauten sie mit auf mein Snartphone-Display und zeigten draußen in die Richtung des Berges. Nett!

Der Aufstieg auf den Monte Termino war auch tatsächlich lang - weniger von den Kilometern als von der benötigten Zeit. Denn nur anfangs lief ich auf einer schmalen Forststraße. Sobald ich oberhalb der Maronenplantagen war, wurde der Weg nicht nur sehr steil, sondern er war auch gar nicht mehr da.



Die Markierungen hingegen waren erstaunlich gut. Fast immer sah ich schon die nächste, wenn ich eine Markierung erreicht hatte. Doch der "Weg" war nicht nur weglos und steil, sondern auch noch ziemlich stachelig. Diesmal waren es keine Brombeeren, sondern Rosen und niedrigere Stachelgewächse. Es dauerte lange bis ich die 1400hm geschafft hatte. Die Ausblicke waren trotzdem ganz toll. 





Bergab wurde der Weg bedeutend besser und führte über gut ausgebaute Wege durch Buchenwald hinab. Das Rifugio Verteglia war schon verschlossen, aber es gab fließend Wasser und sogar Steckdosen! In der Nähe baute ich mein Zelt auf. Geschaut hatte ich an dem Tag dank der beschwerlichen "Wege" aber nur 20km. 


Einsame Waldwege


Die Nacht war gefühlt ziemlich kalt geworden und ich bin deshalb mehrmals aufgewacht. Daran muss ich mich nach zwei Monaten mit warmen Nächten erst wieder gewöhnen. Bisher hab ich nachts immer nur ein dünnes Langarmshirt angehabt und mich mit meinem selbst genähtem Schlafsack zugedeckt. Aber generell habe ich auch den Eindruck, dass es mich inzwischen mehr friert. Liegt wahrscheinlich auch an der Gewichtsabnahme, die so eine lange Tour mit sich bringt. 



Der Wandertag begann aber gemütlich mit einem meist flachen und einfachen Weg. Generell ging es diesmal mehr bergab als bergauf, was ich ganz angenehm fand. Am Vormittag ging es sogar an einem kleinen Bach entlang, den ich immer mal wieder überqueren musste. Der war aber so schmal, dass dies trockenen Fußes gelang. 



Anschließend wurde der Weg etwas schwieriger, denn er wurde schmaler und war manchmal nicht ganz so gut zu erkennen. Einmal war er sogar auf einem kurzen Abschnitt sehr mit Brombeeren überwuchert. 



Als es wieder bergauf ging, besserte sich der Zustand des Weges. Er führte an einer Grotte vorbei. Ich ging zwar nicht in diese Höhle hinein, aber ich fand eine Kopflampe von Decathlon. 



Meine Mittagspause machte ich am Rand einer breiten Forststraße im Schatten. Eigentlich wollte ich in der Sonne sitzen, aber ich fand keine gute Stelle dazu. Es wehte nämlich ein nerviger Wind und mich fröstelte es etwas. Irgendwie war ich generell etwas müde. Zum Mittag gab es Tortellini mit grünem Pesto. Diesmal versuchte ich zuerst das Pesto zu erhitzen und anschließend die Tortellini unterzurühren. Keine gute Idee, denn es ist unten angebrannt. 

Der weitere Wegverlauf bis Acerno verlief unspektakulär auf breiten Wegen und Forststraßen durch flachen Buchenwald. In Acerno musste ich noch etwas warten, denn der Lebensmittelladen nachte erst um 17 Uhr auf. Die Tage zuvor hatte ich immer wieder beobachtet wie eine massive Regenfront vorhergesagt wurde. Diese blieb dabei, am kommenden Dienstag sollte es rund 60 Liter regnen - da hätte ich wenig Lust den ganzen Tag zu wandern! Kurzerhand rechnete ich aus, wann ich ungefähr wo sein könnte und buchte zwei Nächte in Piaggine. Dies beruhigte mich. 

Nach dem Einkauf - im Obst- und Gemüseladen bekam ich einen Pfirsich geschenkt - lief ich weiter. Es ging, nach einem kurzen Stück auf der Straße, steil bergauf auf teils schlecht zu erkennenden Wegen. 



Die Zeltplatzsuche würde schwer werden, dies wusste ich im Vorhinein. Doch ich fand nach ganzen 30.5km noch einen richtig schönen Platz, oben an einer Anhöhe, von einer Seite durch Eichen geschützt. Abends verfärbte sich der Himmel leuchtend gelb.




Zum ersten Mal mit Handschuhen wandern 


Diese Nacht war zwar recht windig, es blieb aber trocken. Diesmal behielt ich meinen Woolpower-Pullover in der Nacht an und fror auch nicht. So konnte ich viel erholsamer schlafen. 

Als die Morgensonne sanft mein Zelt anleuchtete fielen mir mehrere Unregelmäßigkeiten an der rechten Zeltseite auf. Es sah als als wären an einer Stelle, nahe der Spitze, winzige Risse entstanden. Dieses Problem hatte ich bereits in Ligurien an einem der ersten Wandertage auf dem SI. Ich wusste damals nicht, ob es eher bloß optische Mängel sind oder echte Risse. Sicherheitshalber klebte ich DCF-Reperaturtape darüber. Das tat ich auch diesmal. Ein paar Tage später bekam ich im Netz den Tipp, Wasser über die Stelle zu gießen. Mist - zu spät! 

Den Wandertag konnte ich trotzdem noch vor acht starten, da DCF sich ja zum Glück kinderleicht reparieren lässt. Der 1000hm-Anstieg ging erstaunlich einfach und schnell. Der Weg war gut markiert und angenehm zu gehen. Sobald ich jedoch aus dem Wald raus war, wurde mir kalt. Ein eisiger Wind wehte, obwohl die Sonne schien. Bald war es mir an den Händen so kalt, dass diese schon ein wenig ungelenk wurden. Als ich mit Fleecehandschuhen, Pullover und Regenjacke weiterlief, war es bedeutend besser. Die Aussicht hier oben vom Monte Polveracchio reichte bis zum Meer. Grandios!






Auf dem Weg bergab wurde auch der Wind weniger und ich konnte die Handschuhe wieder einpacken. 


Es war noch bedeutend einfacher zu gehen, denn eine Forststraße wand sich in weiten Kehren ganz sanft bergab. 



Kurz vor Senerchia fand ich einen riesigen Zapfen. Zum Größenvergleich habe ich ihn in der Hand gehalten und fotografiert. 



In Senerchia selber war nicht viel los. Doch kurz bevor ich dort ankam, wurde es skurril. Ein Teil des Wanderweges war gesperrt. Keine Ahnung warum, es war dort kein Infoschild angebracht. Ich kletterte drüber hinweg. Anscheinend führte es durch ein (vom Erdbeben?)  zerstörtes Gebiet. Nervigerweise war am Ausgang auch eine großräumige Umzäunung angebrachte. Genervt davon kraxelte ich über ein Geländer dran vorbei. 



Im Minimarkt wollte ich einen Pfirsich kaufen - doch man schenkte ihn mir. Ich bedankte mich und ging weiter. Ein paar Kilometer hinter Senerchia fand ich in einem alten und überwucherten Olivenhain einen flachen Stellplatz mit Top-Sichtschutz. Zeltplätze in der Nähe von Asphaltstraßen zu suchen ist meistens nervig, da Asphaltstraßen vorwiegend in besiedelten Gebieten zu finden sind. 25km hatte ich an dem Tag bloß geschafft - geplant war aber auch nicht mehr, da ich ja aufgrund meiner Hotelbuchung einen Zeitplan vor Augen hatte. 





Samstag, 6. August 2022

Sentiero Italia - Toskana & Emilia Romagna Teil 1

Etappe 2: Toskana und Emilia Romagna


Teil 1 Passo Cento Croci - Pracchia (186km & 7520hm bergauf)



Nicht Alpen, sondern Apennin


Das erste Mal in der Toskana. Viele stellen sich diese italienische Provinz eher als sanft gewellt vor, doch in der Realität gibt es hier viele hohe Berge. Wird dieser Abschnitt ebenso einsam wie Ligurien? Wie ist der GEA (Grande Escursione Appeninica) beschaffen, dem der SI hier folgt?
 
Hier findet ihr die GPX-Tracks zu diesem Abschnitt vom SI.

Unspektakulärer Auftakt

Da die obere Bushaltestelle am Trail nicht bedient wurde, musste ich zuerst noch die drei km vom Ristorante Albergo Alpini auf der Asphaltstraße hochlaufen. Oben angekommen ging es kurz durch würzig riechenden Wald - es hatte am Vorabend gewittert. Danach verlief der SI., noch dem ligurischen Höhenweg folgend, einige km auf einer wenig befahrenen Straße mit ganz passablen Ausblicken. Hinter einem Hügel wurde der Weg wieder zu einem Trail und führte durch einen Buchenwald bergauf. Der Weg war anspruchsvoller zu gehen als man in einem Wald vermuten mag, denn der Untergrund bestand aus einer Mischung aus grobem Gestein und altem Laub. Aussichten gab es hier keine, dazu war der Wald zu dicht. Dafür war es klimatisch angenehm. 





Doch der nun mit etwa 12.5kg elendig schwere Rucksack war eine wahre Last. Am liebsten hätte ich ihn abgesetzt und wäre ohne ihn weitergegangen. Immer wieder machte ich kurze Pausen um dir Schultern und Hüften zu entlasten. 

Am Passo de due Santi gab es keinen Wasserspender, also ging ich in das örtliche Wirtshaus und ließ meinen Wassersack auffüllen, nachdem mich draußen keiner bedienen wollte. Kein Wunder: Drinnen war der Teufel los! Die Mittagspause verbrachte ich am Rand einer Forststraße. Danach ging es immerhin fast nur bergab. 
Am späten Nachmittag lichtete sich der Wald kurz und ich fand sogar eine intakte und idyllische Wasserquelle. 







Die Nacht verbrachte ich nach 28km on trail im Wald, wo ich abends noch ein Reh aus 20m Entfernung beobachten konnte. Ich blieb so leise wie möglich und das Tier zeigte keinerlei Interesse an mir und meinem Zelt.

Auf in die Berge!


Der nächste Tag startete ebenso unspektakulär durch dichten Buchenwald, wo ich außer zwei Motorcrossfahrern niemanden mehr traf.

Die Ruhe endete am Passo della Cisa, denn hier waren hunderte (!) Motorradfahrer. Ein ständiges Geknatter war zu hören. Ich fragte mich schon, ob jenand die BMW-Motorradtage hierher verlegt habe, da es so dermaßen voll war. In einem kleinen Laden kaufte ich eine Nektarine, nachdem ich den Wasserspender zwischen all den Menschen und Motorrädern gefunden hatte. Viel geeignetes außer Schokolade hätte es dort für einen Resupply nicht gegeben. Anschließend entfernte ich mich von diesem lauten Ort. 

Im angrenzenden Wald war es schon merklich ruhiger. Der Wald war auf dieser Seite jedoch nur noch lückenhaft vorhanden, oftmals bestand die Landschaft aus hügeligen Wiesen, auf denen teilweise Pferde weideten. Und es war erstaunlich viel los - so viele Ausflügler hatte ich in den letzten Tagen zusammen nicht gesehen! Wenn es bergauf ging, dann meist senkrecht in der prallen Sonne. Ganz schön anstrengend. Irgendwann fand ich einen großen Baum, in dessen Schatten ich meine Mittagsrast einlegte. Das in Varese Ligure gekaufte Nudel-Bohnen-Fertiggericht befand ich für sehr gut. 




Eine große Gruppe mit jungen Leuten, die riesige Rucksäcke trugen, überholte ich zweimal. Erst als der Weg steil bergauf auf einen Gipfel ging, wurde es ruhiger. Eigentlich hätte ich links drumherum gehen sollen, doch ein Schild riet aufgrund eines Hangrutsches zu einer Alternative. Oben hatte ich trotz dichtem Baumbestand einen guten Ausblick auf den nächsten steilen Anstieg zum Monte Orsaro. Uff! Echt anstrengend aber der Ausblick dort oben über die kahlen Berghänge war schon genial. Und es gab immer mal wieder Grund zum Anhalten: reife Heidelbeeren. 



Da ich in der Biwakhütte Capanna del Braiola übernachten wollte, übersprang ich den gleichnamigen Berg und wählte einen direkteren Pfad. Die Hütte war leer, aber nur spärlich eingerichtet. Der Boden bestand aus unebenen Steinplatten und Betten gab es keine. Der Tisch war aber sehr groß und stabil. Draußen aß ich gemütlich eine ganze Menge Heidelbeeren, die ich zuvor gepflückt hatte, und wusch mich notdürftig. Als es dunkel wurde, wollte ich mich bettfertig machen, doch ein Geräusch irritierte mich. Ich entdeckte ein Nagetier, was sich in der Hütte aufhielt. Schon zu viele Horrorgeschichten über von Nagetieren kaputt genagte Ausrüstungsgegenstände habe ich gelesen und dort zu bleiben. Kurzerhand packte ich alles ein und machte mich mit der Stirnlampe bewaffnet auf den Weg bergauf zum Bergpass. Um 22 Uhr fand ich ein kleines flaches Plätzchen direkt neben dem Weg. Gebannt vom feuerrot gefärbten Horizont putzte ich mir die Zähne und legte mich schlafen. 29.5km war ich an dem Tag gelaufen. 




Schwimmen im Bergsee


Trotz der kurzen Nacht hatte ich relativ gut geschlafen. Nach einem kurzen Anstieg zum Monte Marmagna ging es hinunter zum Lago Santo Parmense, da ich dringend meinen Wasservorrat auffüllen musste. Oben am Bergrücken gab es nämlich keinerlei Quellen. Doch ich brauchte nicht sehr viel, da ich im Laufe des Tages immer wieder an kleinen Seen vorbeikommen sollte. Hinter dem See musste ich natürlich wieder hoch zum nächsten Pass und dann zum Monte Aquila.




Auf dem Weg bergauf wuchsen neben Heidelbeeren auch ein paar Himbeeren, die noch nicht alle vertrocknet waren, wie die in Ligurien. Unterhalb vom Monte Sillara ging es gegen Mittag bergab zu zwei direkt nebeneinander gelegenen Bergseen. Schon den ganzen Tag hatte ich mich darauf gefreut dort schwimmen zu gehen. Dies tat ich dann auch in dem kleineren von beiden. Es tat so gut, dass ich mich anschließend wie frisch geduscht fühlte. Was für ein Highlight - herrlich! 





Da ich ausgerechnet hatte gegen Abend beim Rifugio Sarzanza anzukommen, versuchte ich mehrfach dort eine telefonische Reservierung vorzunehmen, doch es ging keiner ran. Auf dem Weg dorthin wiesen die Schilder noch eine Biwakhütte aus, die nur 45min weiter entfernt und fast on trail sein soll - perfekt. Dann geh ich eben da hin. Dort war bereits ein ital. Pärchen, die eine zehn tägige Tour unternehmen, doch es waren noch zwei Betten frei. 25.5km hatte ich an dem Tag geschafft. 

Endlich duschen

Wenn ich gut genug voran komme, könnte ich es bis zum Rifugio Barbargetana schaffen, dachte ich noch am Vorabend. Zur Mittagszeit schaue ich immer nach einem konkreten Übernachtungsplatz, vorher kann ich das nicht sicher einschätzen. Zu sehr kommt es dafür auf versch. Faktoren an: z.B. meine Tagesform, Höhenmeter, Beschaffenheit des Weges und das Wetter. 

Am Morgen war der Himmel wolkenbedeckt - hier ein gutes Zeichen! Zuerst führte der SI steil einen Pass hoch, wo es auf der anderen Seite genauso steil wieder runter ging. 




Der Weg überquerte ein breites Hochtal, mit auffällig vielen platten Stellen und locker zehn versch. Feuerstellen. Man könnte auf die Idee kommen, es handle sich um einen inoffiziellen Campingspot. 




Gemächlich und somit sehr angenehm führte ein Pfad bis zum Passo Cerreto, wo ich unerwartet für schlappe drei Euro eine Tafel Ritter Sport Kakao Mousse ergattern konnte. Über die machte ich mich kurz darauf auch schon her. 




Doch der Weg wurde kurz darauf erneut steil, denn es ging hoch zum Monta Nuda. Diesmal war der Pfad sogar noch steiler - er ging einfach senkrecht rauf. Verschwitzt kam ich am Gipfel an, wo wenige Minuten später etliche andere Tageswanderer eintrafen. Scheint ein sehr beliebtes Ausflugsziel zu sein. 



Der weitere Verlauf war führte mal sanft über erdige Pfade und mal ruppig über Blockwerk am Hang entlang. Musik steigerte meine Stimmung noch mehr. Ich war trotz der steilen Anstiege gut in der Zeit. Da ich erst unten am Passo Predarena Empfang hatte, rief ich beim Rifugio Barbargetana an und erfuhr, dass sie ausgebucht seien. Frustriert lief ich auf der anderen Seite in der prallen Mittagssonne bergauf. Bei Komoot sah ich, dass das Rifugio Cesare Battisti nur ein Stück hinter der anderen Hütte befindet. Im Internet suchte ich deren Nummer raus, doch ich erreichte keinen. Innerlich schimpfte ich über die nervige Reservierungspflicht für Berghütten. Genau das mag ich am zelten: die Spontanität. Eine Stunde später - die Mittagspause fiel kurz aus - erreichte ich doch noch jemanden und konnte einen Schlafplatz reservieren. Ich beeilte mich um rechtzeitig vor dem Abendessen anzukommen. Der Pfad war diesmal wirklich einfach zu gehen, zumeist eben und insgesamt richtig schön. 



Nach 29.5km on trail kam ich um 18 Uhr in der Hütte an. Zwar war ich flott vorangekommen, meine Füße bedankten sich mit zwei neuen Blasen. *grummel* Für fünf € konnte man duschen - her damit! Es war dringend nötig und ich duschte meine Socken gleich mit. Eine richtige braune Brühe kam aus ihnen heraus. 

Es war angenehm mal in einem richtigen Bett zu schlafen, doch die Lautstärke im Speiseraum störte mich. Noch ein Grund, warum ich gerne zelte: es ist ruhig. 

Hundeangriff und ein unerwartet schöner Schlafplatz

Als ich um 6:30 Uhr die Hütte verließ, war ich die erste. Die Türen zum Speiseraum waren noch geschlossen. Zuerst musste ich zurück zum Trail. Dazu musste ich auf einer Forststraße an einer eng eingezäunten Schafsherde vorbei. Als ich schon fast rechts auf den Pfad abgebogen war, schnellten plötzlich mehrere große Hunde hervor und bellten mich laut an. Ich war völlig erschrocken und bevor ich überhaupt richtig reagieren konnte, hatte einer der Hunde nach meinem linken Knie geschnappt. Zum Glück traf er nicht ganz, doch klaffte nun ein faustgroßes Loch in meiner Windhose. Verängstigt blieb ich stehen. Egal wohin ich mich versuchte zu bewegen, die Hunde bellten und knurrten. Erst als der Schäfer dazukam, konnte ich meinen Weg fortsetzen, da er die Tiere zurück hinter den Zaun zog. Blöderweise konnte er kein Wort Englisch und ich kein Italienisch, sodass eine Verständigung nicht möglich war. Zitternd lief ich weiter. 



Der Pfad war immerhin schön, führte er dich mehrheitlich eben am Hang entlang und bot weitreichende Aussichten. Richtig genießen konnte ich es noch nicht. Erst am Passo delle Radici war ich wieder ruhiger. Dort befand sich auch ein Brunnen. Ideal für eine kleine Pause! Weiter ging es auf einem einfachen Waldweg zu San Pellehrino in Alpe. Auf dem Weg fand ich tatsächlich eine Art Trail Magic: Jemand hatte drei große saftige Äpfel hinterlassen. Einen davon ließ ich mir schmecken. So ein Glück! San Pellegrino bot mehr als gedacht, es gab sogar Eis und Gebäck zu kaufen. Ich genehmigte mir ein Eis um etwas Münzgeld loszuwerden. 

Zwischen den Häusern ging es bergauf weiter durch einen lichten Buchenwald bis hinauf, wo nur noch niedrige Büsche wuchsen. Doch bevor ich so weit nach oben kam, warnte ein Schild auf italienisch vor den Herdenschutzhunden. Auweia! Mithilfe von Google-Übersetzer versuchte ich die Hinweise zu verstehen, doch die Verbindung war mau. Ich sprach entgegenkommende Spaziergänger an und bat sie darum mir das Schild zu übersetzen. Man soll der Herde nicht zu nah kommen und nicht mit Steinen werfen. Zum Glück konnten sie englisch. Es stellte sich dann aber heraus, dass keine Schafsherde mehr da war.




Über mehrere Gipfel führte der sehr aussichtsreiche Höhenweg teilweise senkrecht bergauf bis es steil bergab zum Lago Santo Modenese hinab ging. Von dort aus wollte ich noch etwa eine Stunde weitergehen. In der Nähe vom See waren selbst am Abend viel mehr Leute unterwegs als zuvor. 

Diesmal wollte ich aber gerne eine Nacht in Ruhe und Einsamkeit verbringen. Ich sah einen Abzweig bergauf bis zum Lago Turchino, der zwar abseits des SI ist, aber von wo aus ich laut Karte ohne unnötige Höhenmeter zurück zum SI konnte. Die Wahl fiel mir nicht schwer. Oben angekommen stellte ich fest, wie gut die Entscheidung war. Direkt am See gelegen war eine winzige verschlossene Hütte. Daneben war eine kleine Zeltwiese. Naja zumindest sah sie so aus. Bevor ich mein Zelt aufbaute, sprang ich noch kurz ins kühle Nass des Sees. Das tat gut und ich fühlte mich gleich viel frischer. An diesem Tag hatte ich sogar 31km geschafft und meine Füße fühlten sich okay an. 











Kein Schatten in Sicht 

Der Verbindungshöhenweg zurück zum SI war nicht nur schön, sondern auch sanft ansteigend. 



Der SI selber führte wieder steiler hinauf zum Femmiamorta auf 1878m Höhe. Da eine Sesselbahn zu sehen war, scheint es, als werde es Winter als Skigebiet genutzt. Von dort ging es hinab zum Lago Nero mit der gleichnamigen Biwakhütte. 



Doch da dort alles in der prallen Sonne war lief ich weiter und machte meine Pause weiter unten im Schatten vom Buchenwald. Über beste und einsame Wege ging es hinab bis zum Örtchen Boscolungo. Dort folgte ich der Asphaltstraße um in Abetone im Supermarkt einzukaufen. Im Ort war ordentlich was los. Lustigerweise verkauften sie hier selbst im Sommer Ski...

Nach dem Einkauf suchte ich eine Abkürzung durch den Wald zurück zum Trail. Dieser führte rasch aus dem Nadelwald hinaus und steil über baumlose Pfade bis hinauf zum Monte Rotondo auf 1937m Höhe. Dort oben waren viele Wanderer unterwegs. Eigentlich wurde es Zeit eine ausgiebige Mittagspause zu machen, doch ich fand nirgendwo Schatten. So musste ich in der Sonne mein vorher gekauftes Pesto mit Mozzarella verspeisen. 



Der Verbindungshöhenweg zwischen dem Gipfel und dem Lago Scaffaiolo hingegen war wieder sehr einsam. Aber Schatten fand ich stundenlang keinen. Die Ausblicke waren zwar grandios und es wehte ein leichter Wind, doch Sonnenschutz wäre toll gewesen. Erst viel später fand ich eine kleine schattige Stelle, wo ich mir eine Stunde Pause gönnte. Es gab sogar Internet! Das war in den letzten Tagen Mangelware. 

Im weiteren schattenlosen Verlauf des Weges sah ich mehrere Schafsherden mit den dazugehörigen Herdenschutzhunden, doch die waren alle weit genug weg. Am Lago Scaffaiolo waren viele Menschen zu sehen, es gab ein Rifugio und eine verschlossene Biwakhütte. Zwei Zelte standen in der Nähe vom See. Doch ich traute mich nicht sie anzusprechen. Generell waren mir in den letzten Tagen viele Zelte aufgefallen. Zudem waren mir mehrere größere Gruppen begegnet, wo jeder einen auffällig großen Rucksack trug. 



Doch ich wollte ohnehin mehr Einsamkeit. Ich ging nur etwas weiter bis zu einer größeren verschlossenen Hütte. 27.5km + Umweg nach Abetone hatte ich geschafft. Blöderweise hat sich an meiner rechten Ferse eine schmerzhafte Druckstelle gebildet. Am nächsten Tag stellte sich heraus, es war eine kleine Blase unterhalb der Hornhaut. Der Sonnenuntergang war beeindruckend schön. Als ich um 22 Uhr schlafen wollte, hörte ich plötzlich Stimmen. Nervös lag ich auf meiner Isomatte und lauschte. Eine Gruppe Wanderer waren mit Stirnlampe unterwegs. Da deren Weg an der Hütte vorbei führte, leuchteten sie natürlich in meine Richtung. Irgendwann nach einer gefühlten Ewigkeit waren sie vorüber gegangen. 


Nearo mit Hindernissen

So wirklich erholsam war die Nacht nicht. Um sechs Uhr, als ich aufstehen wollte hörte ich plötzlich Stimmen. Direkt in der Nähe von meinem Zelt gingen Männer vorbei. Ich lugte unter der Apside hervor uns sah, dass es Heidelbeerpflücker waren. Diese kleinen Beeren wuchsen hier oben nämlich in Massen. Ich packte alles zusammen und machte mich ohne Frühstück auf den Weg. Oben am Pass blieb ich sitzen und nahm mein Frühstück zu mir. Die Morgenstimmung dort oben war richtig toll. Noch warfen die Berge viele Schatten.



Anschließend ging es glücklicherweise zumeist auf der Schattenseite am Hang entlang weiter. Irgendwann senkte sich der Pfad hinab in den Buchenwald. Da es immer weiter bergab ging, wurde es trotz Schatten immer wärmer. Ich machte auf dem Weg 13km langen Weg nach Pracchia viele längere Pausen, da der Zug nach Pistoia ohnehin erst nach 13 Uhr fährt. 



In Pistoia kam ich pünktlich an und checkte ins Hotel ein. Eines der wichtigsten Dinge auf der To-Do-Liste im Hotel ist für mich das Waschen der Wanderbekleidung. Dies gestaltete sich als extrem kompliziert und umständlich. Im Hotel Milano wollte man keinen Wäscheservice anbieten und verwies auf öffentliche Wäscherein. Gegenüber vom Penny, wo ich bereits eingekauft hatte, fand ich eine Waschstation. Doch leider war alles nur auf italienisch beschriftet. Einen Automaten fütterte ich mit einem 10€-Schein, in der Hoffnung er würde mir Münzen oder Waschtoken geben. Doch nichts geschah. Verzweifelt schaute ich mich um, doch der Laden war komplett leer. Im Penny gegenüber fragte ich um Hilfe, doch die Frau war ebenfalls überfordert mit der Maschine. Meine 10€ jedenfalls waren weg. Verärgert und frustriert machte ich mich auf den Rückweg zum Hotel. Der Hotelmitarbeiter führte mich zu einem anderen Waschsalon. Auch hier war niemand und alles war auf italienisch beschriftet. Laut Aushang sollte ein Waschgang 4€ kosten. Der Hotelmitarbeiter schob meinen 10€-Schein in einen Automaten, der darauf drei Waschtoken auswarf. Immerhin. Aber ich wollte doch bloß einmal waschen! Verärgert wusch ich die teuerste Wäsche aller Zeiten. Nie wieder werde ich solche blöden Automatik-Waschsalons in Italien benutzen!

Am nächsten Tag gönnte ich mir einen Ruhetag.
 





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