Montag, 11. Juli 2022

Reisebericht Südlicher Kungsleden Grövelsjön - Sälen

Etappe 2: In sieben & ein bisschen Tagen von Grövelsjön bis Sälen


Resupply mit Hindernissen


Tatsächlich hatte es die letzte Nacht die ganze Zeit geregnet, doch im trockenen Zelt war es gemütlich. An dem heutigen Tag betritt ich zuerst nur einen kurzen Weg bis zur STF Station Grövelsjön, von wo ich mit dem Bus bis in die Stadt Idre fahren wollte, denn dort gibt es zwei Supermärkte. Abgesehen von mir standen eine große Gruppe Jugendlicher (eine Jugendgruppe?) und warteten mit schwerem Gepäck beladen auf den Bus. Vorab hatte ich mir extra den passenden Geldschein für das Busticket zurechtgelegt, doch als der Bus kam und ich mit dem Geldschein bezahlen wollte, bekam ich die Antwort, ich müsse das Ticket in der Smartphone-App bezahlen. Ich war froh einsteigen zu dürfen und machte mich gleich daran mit Kreditkarte das Ticket zu bezahlen. Doch zehn Versuche später hatte ich immer noch kein Ticket und war zunehmend frustriert. Immer wieder stürzte die schwedische Bus-App ab, nachdem ich die Zahlung in meiner Banking-App bestätigt hatte. In dem Moment verfluchte ich die moderne Technik im Stillen.

Das Einkaufen hingegen ging problemfrei vonstatten. Nur tat ich mich manchmal mit dem schwedischen Vokabular schwer, wenn keine englische Übersetzung auf der Verpackung zu finden war. Mein Rucksack war nun nebst Ausrüstung mit 5kg Lebensmittel für den Rest der Reise ausgestattet. Diesmal wollte ich die Buskarte vor der Rückfahrt kaufen. Dazu gönnte ich mir eine Pizza in einem Restaurant, doch genießen konnte ich sie nicht, da ich erneut verzweifelt versuchte ein Busticket zu kaufen. Die gleichen Probleme wie vorhin trotz mind. 20 Versuchen! Keine Chance! Die Zahlung mit Kreditkarte war die einzige für Ausländer praktikable Option. Wie ältere Menschen ohne Smartphone ein Busticket kaufen ist mir schleierhaft…


An der Bushaltestelle fragte ich zwar einen älteren Herrn dazu, doch der wusste auf meine Frage auch keine Antwort. Zurück fuhr die gleiche Busfahrerin wie vorhin, die zum Glück das Ticket nicht kontrollierte. So stieg ich mit dem schlechten Gewissen ungewollt schwarz zu fahren ein.



Zurück an der Station Grövelsjön optimierte ich noch die Packweise von meinem Rucksack und lief daraufhin los. Der Weg führte hinter dem See Grövelsjön kurz rauf ins Fjäll um dann wieder hinab in einen Birkenwald zu führen. Das nun deutlich schwerere Gewicht des Rucksacks (dürften 11kg gewesen sein) ließ mich langsamer vorankommen als am Vortag. Nach einer kurze Verschnaufpause an einem Vindskydd wurde der Weg einsamer und schmaler. Er führte nun deutlich matschiger als bisher an einer sehr großen Rasthütte vorbei, die ich links liegen lies, bis zu einem Vindskydd, wo ich an einer großen Wiese mein kleines Zelt aufschlug. Beim kochen wurde ich von unzähligen Mücken verfolgt, sodass ich den restlichen Abend in meinem Zelt verbrachte, wo ich zuvor noch die ein oder andere Mücke getötet hatte. Gestochen hatten sie mich leider schon vorher, diese Mistviecher. Sogar durch die Trekkinghose hindurch...


Forststraßen & Blasen an den Füßen


So schlief ich mich selbst kratzend ein. Am nächsten Tag führte mich der Weg über einen schmalen Pfad an zahlreichen Sümpfen und kleinen Seen vorbei. Hier waren die nassen Teile des Weges nicht mehr mit Planken ausgelegt, sondern entweder nackt oder es lagen Äste darüber, über die man balancieren musste. Dies gelang mir problemlos, aber trotzdem wurden meine Füße schon bald nass. Kurz darauf führte der Weg auf eine Forststraße, die mich den ganzen Tag noch begleiten sollte.



In einer Rasthütte machte ich kurz Pause als ein Regenschauer aufkam. Schon bald fingen meine Füße an zu schmerzen. Ich weiß schon, warum ich diese harten Forststraßen nicht so gerne mag... Zwischendurch führte der Weg weglos durch einen Sumpf – nur rote Markierungen wiesen den Weg. Mit jedem Schritt versank ich knöcheltief im Wasser, aber dank dem Moos blieben die Schuhe immerhin sauber.



Bei einem Vindskydd breitete ich meine Sachen aus um eine längere Pause zu machen. Nachdem mich die Mücken belagerten überlegte ich es mir anders und wusch nur schnell meine Socken aus und aß beim Gehen ein paar Snacks. Die Fußsohlen schmerzten immer mehr und ich ließ mich von Podcasts und Harry Potter ablenken. Irgendwann kam ich an eine Weggabelung und schaute aufs Smartphone. Laut dem sollte ich links abbiegen, was ich auch tat. Irgendwann fiel mir auf, dass ich diesen See da drüben doch gerade schon mal gesehen hatte - die Forststraße hatte mich im Kreis drumherum geführt. Laut Karte hätte da vorhin ein Weg abzweigen sollen. Ich folgte der Forststraße erneut und suchte den Weg - aber Fehlanzeige. Es war keine Spur vom gesuchten Weg zu sehen. Auch mein Garmin zeigte mir nichts anderes an. Dies war übrigens das einzige Mal, wo ich es nutzte. Also lief ich einige Kilometer zurück und folgte dem rechten Weg, welcher mit Winterkreuzen ausgestattet war, aber auf meiner Karte nicht existierte. Vielleicht wurde ein neuer Weg gebaut?


Später als geplant kam ich in Flötningen an, wo es außer einem geschlossenen Supermarkt nichts gab. Die Socken waren immer noch feucht und die Füße schmerzten immer mehr. Es war schon spät und ich überlegte fieberhaft, wo ich einen geeigneten Zeltplatz finden könnte. In der Nähe war zwar ein Vinskydd, doch der wirkte nicht so, als wäre der zur Übernachtung gedacht, schließlich war dieser in der Nähe von Wohnhäusern gebaut. Ich lief noch einige Kilometer Forststraße bis zu einem Abzweig, wo ich einen anderen deutschen Kungsleden-Wanderer traf, der hier in der Nähe sein Zelt aufgeschlagen hatte. Weit und breit sei dies die einzige geeignete Stelle, da ansonsten alle ebenen Stellen sumpfig wären. Es war gerade noch Platz für mein Zelt. Wir unterhielten uns lange angeregt über die Tour, bevor wir in die Schlafsäcke krochen. Da ich den ganzen Tag Mücken sei Dank kaum eine Pause gemacht hatte, war ich froh mich endlich ausruhen zu können. Ein Blick auf meine Füße, offenbarte mir das ganze Elend: Aufgrund der Nässe waren sie aufgequollen und unter den Zehen hatten sich mehrere Blasen gebildet. Auweia.


Sumpfig geht es weiter


Am Vorabend wurde ich gewarnt, dass auf der nächsten Etappe nur wenige Zeltmöglichkeiten sind, da der Untergrund sehr sumpfig sei. Mir wurde Id Pätersen als Übernachtungsoption empfohlen, wo neben dem Haus ebene Wiesenflächen zu finden seien. Am nächsten Tag ging es glücklicherweise über weiche Pfade weiter. Endlich keine Forststraßen mehr! Jedoch waren diese oftmals sehr nass, sodass meine Füße wieder ständig nass waren. Die Nässe hat Vor- und Nachteile. Der Vorteile ist, dass sie die Füße kühlt und so auch die Schmerzen dämpft. Der Nachteil ist, dass die Haut aufquillt und so empfindlicher für weitere Blasen wird. Meine Füße waren inzwischen ganz schön geschunden und voller Blasen.


Landschaftlich war es so auch schöner als am Vortag, denn der weg führte durch lichten Wald und immer wieder an kleinen wilden Seen und Sumpfgebieten vorbei. Oder hindurch... Dies war für mich die einsamste Etappe, ich traf niemanden. Der gestrige Tag war ähnlich einsam. Die Hütte Id Pätersen zeigte sich sehr idyllisch gelegen und gemütlich. Den Abend verbrachte ich lesend, ehe ich mich zum Schlafen in mein Zelt verkroch.




Endlich wieder duschen in Gördalen


Dieser Tag sollte etwas kürzer ausfallen, hatte ich doch geplant auf dem Campingplatz in Gördalen zu übernachten. Sobald es ins Fjäll hoch ging, war der Weg nicht mehr so matschig. Oben angekommen kündigten dunkle Wolken ein Gewitter an. Gespannt beobachtete ich die Wolken und wartete ab, was passieren würde. Das dortige Gewitter fiel im Vergleich zu denen, die ich aus den Alpen kenne, deutlich milder aus. Es regnete auch nicht stark oder sehr lange. Ich lief daher weiter ohne mich sonderlich beeindruckt zu zeigen.



Immer wieder führte der Weg an den dort so typischen Seen entlang, wo ich immer mal wieder Vögel erblickte. Doch diese erwiesen sich als Kamerascheu. In einem Vinskydd geschützt machte ich eine Suppenpause, ehe ich den Abstieg nach Gördalen antritt. Das einzige Restaurant im Ort hatte geschlossen, wie es mir der andere Wanderer gesagt hatte. Der Grund war vermutlich Corona, da das Restaurant meist von Norwegern besucht wird, die zu dem Zeitpunkt noch nicht über die Grenze durften. Um 15 Uhr kam ich am Campingplatz an und ruhte mich nach der dringend nötigen Dusche im Zelt aus. Meine Füße taten abends bei jedem Schritt weh. Die Besitzerin des Campingplatzes berichtete von 3m Schneefall pro Jahr. Überall im Ort standen "Snöskoter" rum, für die der kleine Ort wohl bekannt sein muss.


Das südlichste Fjäll Schwedens


Heute sollte es ins Fulufjäll, das südlichste Fjäll von Schweden, gehen. Dazu musste ich erst mal einige hm Anstieg bewältigen. Hier im schwedischen Fjäll geht das aber schnell. Die Farben der Natur zeigten sich zu Beginn des Fjälls sogar herbstlich angehaucht, später dann aber wieder sommerlich grün. Auf Höhe einer Hütte waren auf einmal ganz viele Leute und einige bunte Zelte. In der Nähe war noch eine andere Hütte, deren Name mir gerade entfallen ist. Ich sah den dortigen Kiosk und überlegte, dort meinen Proviant um ein paar Snacks aufzustocken, doch der hatte Mittagspause... Wieder gewitterte es und wieder war es genauso harmlos wie am Vortag. Diesmal kam ich schneller als geplant an meinem Ziel, die große unbewirtschaftete Tangsjöstugan an. Dort gab es Betten, in denen man gegen eine Gebühr, die im Nachhinein überwiesen wird, schlafen kann. Sie lag extrem idyllisch zwischen zwei Seen, doch es war erst 17 Uhr.



Zur nächsten Hütte (Tangådalsstugan, ähnlich wie die andere aber kleiner) sollten es "nur" 10km sein. „Das sollte doch zu schaffen sein“, dachte ich mir. Bisher war ich auf den trockenen und gut gepflegten Wegen flott vorangekommen. Doch es fing an zu nieseln und der Weg zog und zog sich. Zudem wurde er stellenweise wieder so nass, dass meine Füße wieder nass waren. Die bunten Moose zeugten von dem feuchten Untergrund – sind aber gleichzeitig extrem schön. 



Unterwegs traf ich eine Frau, die ebenso alleine unterwegs war. Wir unterhielten und ein paar Minuten ehe es jeden von uns weiterzog. Irgendwann führte der Weg in einen Birkenwald und da war dann auch endlich die Hütte. Gegen 20 Uhr kam ich an. An dem Tag muss ich so ungefähr 35km (hab habe meine Route nicht getrackt) gelaufen sein. Für mich war das schon ganz schön viel. Mehr hätte ich an dem Tag auch nicht geschafft, meine Füße beschwerten sich schon in den letzten km mit unangenehmen Schmerzen. Innen war bereits ein Vater mit seiner erwachsenen Tochter am Essen. Die beiden sollte ich die nächsten Tage noch öfters treffen.


Schmerzhaft und nass geht’s weiter


Es war toll nach so langer Zeit mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Als ich aufstand waren die beiden bereits aufgebrochen. Zuerst war es sehr nebelig und die Sicht mau. Es ging leicht bergan zurück ins Fjäll und anschließend wieder bergab. Während des Anstiegs stieg der Nebel auf und die Sicht wurde klarer.



Mittags kam ich bei der Björnholmstugan an, wo ich die beiden wieder traf. Wir unterhielten uns kurz, dann zogen sie weiter. In der Sonne verbrachte ich meine Mittagspause mit einer Dose Baked Beans, die ich in der Hütte zuvor gefunden hatte. Manchmal hinterlassen andere Wanderer Teile ihres Proviants oder auch mal halb volle Gaskartuschen in den Hütten für ihre Nachfolger. Blöderweise waren nun auch meine Ration Blasenpflaster aufgebraucht. Damit hätte ich vorher nicht gerechnet, dass ich so viele davon bekommen werde. In den Rasthütten gab es jedoch kleine Pflasterspender, die ich an dem Tag als Alternative für meine Zehen benutzte. Die Schmerzen spürte ich trotzdem bei jedem Schritt.


Anschließend ging es ein Stück recht monoton an einer Forststraße vorbei an einem zerstörten Häuschen, bevor ein schmaler Pfad rechts in den Wald hinein führte. Auch diesmal waren die Wege recht nass. Kurz ging es ins Fjäll hinauf zu einer Rasthütte, wo ich den Vater mit seiner Tochter erneut traf. Die beiden suchten eine Wasserstelle, da sie in der Hütte übernachten wollten. Bei meinem Weiterweg lief ich an einem kleinen Teich vorbei und informierte die beiden darüber. Für mich war es noch zu früh. Diesmal führte es mich länger durch den Wald. Am Fluss Görälven stellte ich mein Zelt neben ein Vindskydd. Kurz darauf kamen zwei deutsche Frauen dazu, die hier in ihrem Van übernachten wollten. Mit Tee verbrachten wir den Abend gemeinsam bis sich jeder ins Bett verabschiedete.




Fast geschafft


Nachdem ich eine warme Nacht im Zelt verbracht habe frühstückte ich im Vindyskydd. Lustigerweise kamen der Vater mit seiner Tochter genau in dem Zeitpunkt dort an und wollten eine Pause machen. Sie gaben mir von ihrem Kaffee ab und wir plauderten. Ich erfuhr, dass sie immer in der Rasthütten übernachten. Offiziell ist in denen nur im Notfall eine Übernachtung erlaubt, aber laut ihnen würden das sehr viele Schweden so machen. Trotz des gesparten Gewichts eines Zeltes waren ihre Rucksäcke deutlich schwerer.



Die ersten Schritte führten über abgesoffene Planken. Bei jedem Schritt senkten sie sich so weit herunter, dass sie mind. 10cm unter Wasser standen. Die Füße waren daraufhin natürlich wieder nass. Generell führte der Weg oft durch Wald und nasse Wiesen. Vielleicht wäre ich schneller voran gekommen, wenn meine Füße nicht so geschmerzt hätten. An diesem Tag war es oft regnerisch. Es gab viele längere & kürzere Schauer. Einen konnte ich in der Närfjällstugan aussitzen. Jetzt könnt ihr raten, wer dort kurz darauf auftauchte. Genau, der Vater mit seiner Tochter! Wir mussten jedes Mal lachen, so witzig war das. Diesmal sollte es aber das letzte Mal sein, denn am morgigen Tag hatte ich nur eine ganz kurze Etappe vor mir. Diesmal übernachtete ich auch mehr oder minder unfreiwillig in einer Rasthütte. Ich fand einfach keine Stelle für mein Zelt, die nicht sumpfig oder verbuscht war.


Lesen sollte man können


Dies war der letzte Tag meiner Tour. Ich hatte bloß noch 9 km vor mir. Viel zu schnell kam ich diesmal voran. Die letzten km waren viel besser ausgebaut als die vorherigen. Beste Planken, keine nassen Stellen. Umso näher ich Sälen kam, umso mehr Menschen begegnete ich. Kurz vor Schluss schaute ich mir noch den kleinen botanischen Garten an, der sich kurz vor Sälen am Wegesrand befand. Zwar konnte ich kaum etwas von der schwedischen Schrift verstehen, aber schön war es trotzdem.


Im Supermarkt deckte ich mich mit frischen Lebensmitteln für die Rückfahrt ein. Dann passierte mir etwas völlig dummes. Ich verpasste den Bus nach Mora. Nicht weil ich zu spät dran war, sondern weil ich so dusselig war und die Zeit falsch abgelesen hatte! Dann stand ich an der Bushaltestelle und musste mir überlegen was ich nun tue. Der letzte Bus (Sonntag!) war weg, also blieb mir nichts anderes übrig als zu trampen. „Hilft ja nichts!“ dachte ich mir. Mit drei verschiedenen Fahrten kam ich dank vielen netten Menschen, die so freundlich waren mich mitzunehmen, doch noch in Mora an. Meinen Zug nach Stockholm hatte ich längst verpasst, also übernachtete ich auf dem Campingplatz in Mora und buchte eine neue Zugfahrt für den nächsten Morgen.  

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