Donnerstag, 1. September 2022

Sentiero Italia Etappe 4: Abruzzen und Latium Teil 1

Sentiero Italia Etappe 4: Abruzzen und Latium Teil 1: 


San Martino di Acquasanta - Santo Stefano di Sessanio (114 km & 6150 hm)



In den Alpen von Rom


Vorab hatte ich Respekt vor dem Abschnitt in den Regionen Abruzzen und Latium, denn dieser hat im Vergleich zu den Kilometern die meisten Höhenmeter. Es versprach also äußerst anstrengend zu werden.

Die GPS-Tracks, denen ich gefolgt bin, finden sich hier.

Gewitter

Nach kurzem Aufenthalt zum Socken waschen in San Martino ging es auch direkt weiter. Der Himmel hatte inzwischen zugezogen, Donnergrollen war zu vernehmen und es fing an zu regnen.

Ein paar Meter ging es auf Asphalt bis ins nächste Dorf ohne Infrastruktur, wo dann der Weg als schmaler Pfad nach links bergab abknickte. Dieser wird offensichtlich kaum noch genutzt, denn der Pfad war nur schwer erkennbar und teilweise überwuchert. 




Über eine Holzbrücke ging es über einen idyllischen Fluss und auf der anderen Seite ging es wieder hoch. Oberhalb vom Dörfchen Morrice führte eine Forststraße steil bergauf. Hier musste es bedeutend mehr geregnet haben, denn der Untergrund war matschig und Bäche mit braun gefärbtem Wasser flossen über die Straße. Da musste ich aufpassen nicht auszurutschen. 



Die Markierungen waren manchmal vorhanden, manchmal nicht. So kam es, dass ich einmal ein kurzes Stück zurück musste. 

Irgendwann wurde es wieder flacher. Ein Schild verwies darauf, dass ich inzwischen den Nationalpark Gran Sasso erreicht hatte. Yeah! 



Gegen Mittag kam ich an der Passstraße Il Ceppo an. Auf meiner Karte war dort nur eine Bar eingezeichnet. Als ich ein Clubhaus für Reiter sah, dachte ich, dies wäre die Bar. Dort kaufte ich mangels Alternativen ein paar Chips. Wenige Meter weiter stellte ich fest, dass es ein richtiges Restaurant gibt. Dort fand ich mich draußen auf einer überdachten Bierbank mit einer Pizza wieder. Bei so miesem Regenwetter muss man sich ja bei Laune halten...

Als ich weiterlief fing es natürlich stärker an zu regnen. War ja klar. Der dichte Fichtenforst hielt mich aber halbwegs trocken und es hörte bald wieder auf. Als ich die Baumgrenze überschritten hatte, hat es zumindest teilweise nicht geregnet. Wasserquellen fand ich sogar zwei. 



Nicht lange und es ging wieder runter in den Wald. Dort flossen mehrere sehr schöne Bäche. Wasser gab es also genügend. Dort fand ich auch die ersten Pilze.



Auf einer etwas erhöhten flachen Stelle fand ich, kurz bevor es dunkel wurde, einen Zeltplatz. 30km hatte ich an dem Tag geschafft. 


Gewitter kommen selten allein 

Um fünf Uhr nachts wurde ich wach, weil ich menschliche Stimmen hörte. Eine Minute später war es schon wieder still. Schon merkwürdig. Den ganzen Tag sehe ich keine Wanderer, aber um fünf Uhr nachts laufen welche dort rum...



Bald erreichte ich das Dörfchen Padula. Hier gab es einen sehr schönen Wasserfall zu bewundern. Touristische Infrastruktur gab es aber keine. Das Wetter zeigte sich morgens noch sonnig und warm. Für den Nachmittag war aber Regen vorhergesagt. 

Durch einen angenehm zu gehenden Waldweg ging es mäßig bergauf und es gab tolle Panoramen zu bestaunen. 


Mir begegnete ein Pilzsammler, der mir stolz seinen gut gefüllten Weidenkorb zeigte. Der Pfad bergab nach Cesacastina war nicht nur sehr steil sondern auch sehr anspruchsvoll. Weglos ging es über eine Schneise im Wald bergab. Dabei musste ich einige große Felsen umgehen. 



Im Dorf angekommen, füllte ich mein Wasservorrat auf. Einkaufsmöglichkeiten gab es nicht. Kurz nachdem ich der Forststraße steil bergauf gefolgt war, zog der Himmel zu. Da es schon 14 Uhr war, beschloss ich, noch schnell ein Risotto zu kochen. Als ich zu essen begonnen hatte, fing es an zu regnen. Der Regen ging teilweise in Hagel über und die Kiesstraße wurde von Rinnsälen überflutet. Die Baumkronen schützen mich immerhin ein wenig. Nach dem Essen lief ich weiter, der regen war schwächer geworden. Bevor ich über die Baumgrenze kam, hatte es aufgehört. Richtig schön wurde der Pfad dann und war sogar ganz gut markiert. 



Nachdem ich die Passhöhe erreicht hatte, präsentierte sich mir ein grandioser Blick auf den Lago Campotosto. 



Da eine dunkle Wolkenfront gepaart mit Donnergrollen nichts gutes verhieß, machte ich mich schleunigst auf den Weg hinunter zum See. Dieser führte in Serpentinen hinab und machte richtig Laune. 

Ich kam an der Grenze vom Dorf Campotosto an, bog aber gleich links auf den Trail ab, der mich zum Ufer vom Lago Campotosto bringen sollte. Zuerst führte der SI über einen breiten Fußweg mit allerlei Infotafeln. Plötzlich hörte der Weg auf und ich fand mich inmitten von Gestrüpp wieder. Trampelspuren führten in verschiedene Richtungen. 



Irgendwann war ich genervt und bahnte mir einen Weg hoch zur Landstraße. Da ich nur noch eine Stunde bis Sonnenuntergang hatte, wollte ich mich beeilen. Am Seeufer waren lauter Verbotsschilder angebracht - da wollte ich lieber nicht mein Zelt aufstellen. Nach ein paar Kilometern auf der Landstraße folgte ich dem SI in den Wald. Dort fand ich nach 30.5km, als es schon ziemlich dunkel war, eine notdürftige Stelle.


Technikprobleme und Frust



Der weitere Weg durch den Wald bis Nerito gestaltete sich einfach und unkompliziert. In Nerito fand ich den Minimarkt und kaufte für die nächsten Tage ein. Eine große Auswahl gab es nicht, aber es reichte aus. In der Bar nebenan erstand ich zusätzlich noch ein Stück Pizza, welches ich auf einer Bank im Schatten sitzend verspeiste. Die Internetverbindung war auch hervorragend. Das musste ich ausnutzen. 

Der erste Teil vom Weg bergauf auf einen Berg, dessen Namen ich nicht kenne, war unspektakulär. Dort muss es Mal Skibetrieb gegeben haben, denn eine verwaiste Skihütte und eine Seilbahn waren zu sehen. Bei der verwaisten Skihütte machte ich meine Mittagspause und beobachtete, die Wolken, die immer bedrohlicher wurden. Und dann passierte es. Mit dem Knie stieß ich aus Versehen gegen meinen Kindle E-Reader. Zwar nicht wirklich doll, aber trotzdem zeigte das Display seitdem zur Hälfte nur noch Kauderwelsch an. Egal was ich in den nächsten Stunden probierte, nichts half. Frustriert lief ich weiter. Gute Stimmung wollte nicht annähernd aufkommen, obwohl das Gewitter sich sehr rasch wieder verzog und es landschaftlich immer schöner wurde. Ich war einfach nur frustriert. 



Von der Landschaft her hätte man meinen können, ich sei in den Alpen. Bei der verschlossen Hütte Rifugio Monte del Monte füllte ich mein Wasser auf. 



Genervt stellte ich mein Zelt direkt neben dem Weg auf. An diesem Tag wollte ich nach 26km zumindest die Aussicht genießen. Da ich Internetempfang hatte, googelte ich nach einem neuen Kindle und grübelte darüber nach, wie ich es am sinnvollsten bestellen konnte. Denn die Nächte werden immer länger und die Zeit zum lesen immer mehr.



Auf den Corno Grande auf 2912m - der höchste Berg vom Festland-Apennin

Der Pfad bergab nach Pietracamela, wo alle beiden Unterkünfte voll belegt waren, war angenehm und schön. Dort kaufte ich noch zwei Schokoriegel um den Frust zu lindern. Einen davon verspeiste ich sofort. 



Zuerst ging es ein Stück durch einen Wald sanft bergauf bis ich zu der Talstation einer Bergbahn gelangte. In der Nähe dieser Seilbahn führte der weitere Weg steil bergauf. Es ist schon etwas frustrierend, wenn man sich schwitzend hochkämpft und sieht, wie andere sich bequem hochgondeln lassen. 



Oben bei der Bergstation angekommen wurde es landschaftlich immer schöner und es waren ganz plötzlich auch viel mehr Leute auf dem Wanderweg unterwegs. Hmm warum wohl? 



Beim Rifugio Carlo Franchetti füllte ich meinen Wasservorrat ein wenig auf, bevor es weiter bergauf ging. Zunächst war der Weg noch einfach, doch dann wurde es nicht nur sehr steil, sondern auch richtig schwierig. Über teils bröseliges Felsgelände ging es quasi weglos den Berg herauf. Eigentlich mag ich solche Wege gerne. Doch mit einem Trekking-Rucksack auf dem Rücken musste ich deutlich mehr aufpassen als mit einem Tagesrucksack. 


Irgendwann hatte ich es geschafft und war zusammen mit vier anderen Personen am Gipfel. Bei Google habe ich was davon gelesen, man könnte bis zur Adria schauen. Naja... die Aussicht war grau. 



Als eine merkwürdige elektrische Spannung am Berg aufkam, machten wir uns alle gleichzeitig auf den Weg bergab. Bergab waren die Markierungen auch besser sichtbar. Wenige Minuten später fing es nicht nur an zu regnen, sondern auch zu donnern. Schnell wieder runter...



Der Weg führte mich nach links in Richtung Rifugio Duca degli Abruzzi, wo ich reserviert hatte. Es hörte nach etwa einer Stunde auf zu regnen und so kam ich nach 18km und 1900hm mit schöner Aussicht bei der Hütte an. Gerade rechtzeitig, denn es fing wieder an zu gewittern. 

Der Abend auf der Hütte gestaltete sich sehr gemütlich. Neben mir war nur eine italienische Familie da, die alle sehr lustig waren. Eine junge Frau unter ihnen konnte Englisch und übersetzte. 




Von Fliegen verfolgt auf Wegen ohne Schatten 

Zuerst ging es nach der erholsamen Nacht in Kehren bergab. Landschaftlich war es echt schön, wenn auch das riesige Haus wie ein Fremdkörper in der Landschaft wirkte. 



Über unzählige Weideflächen ging es meistens eben oder leicht absteigend über viele Kilometer ohne Schatten entlang. 



Die Weideflächen haben einen entscheidenden Nachteil: die Fliegen! Hunderte von denen verfolgten mich über Stunden. An längere Pausen ist da nicht zu denken.



Bereits um halb zwei Mittags kam ich nach 19km auf dem Trail in Santo Stefano di Sessanio an. Enttäuscht stellte ich fest, dass die Auswahl an Lebensmitteln im örtlichen Minimarkt mehr als mau war. Es gab z.B. weder Obst noch Gemüse. Und dabei hatte ich diesmal sogar eine Küche zur Verfügung. Bisher fand ich in jedem noch so kleinen Lebensmittel-Shop eine kleine Auswahl an Obst und Gemüse. Die Einwohner von Santo Stefano stehen wohl nicht so auf gesundes Essen...


Ruhetag ?!

Der Check-In klappte problemlos und man war sogar bereit meine Wäsche zu waschen. Super! 



Das Päckchen mit den Ersatzspitzen für meine Trekkingstöcke war auch angekommen. Dann musste ich die kaputte Spitze nur noch ersetzen. Laut Youtube Video von Leki sollte das ganz einfach gehen, wenn man die Spitze 10 min in kochendes Wasser hält. Tja, nur in der Praxis gestaltete sich das bedeutend schwieriger. Die Spitze ließ sich nicht einen mm bewegen. Auch einen Bauarbeiter, den ich um Hilfe bat, bekam die Spitze nicht runter. Verzweifelt steckte ich sie in ein an einer Seite spitz zulaufendes Metallgitter und zog mehrmals kräftig daran. Als Resultat brach ein kleines Kunststoffteilchen ab. Die Spitze blieb fest. Fluchend beschloss ich nie wieder Produkte von Leki zu kaufen. Wer hat sich diese beschissen schwer zu wechselnden Spitzen nur ausgedacht! Irgendwann legte ich die Spitze erneut 10 min ins kochende Wasser - und diesmal ließ sie sich tatsächlich entfernen. Vielleicht hat das ganze Geziehe und Gehämmere doch etwas gebracht.

Eine gute Nachricht fand ich aber auch heraus: Inzwischen gibt es auch zu den südlichen Etappen vom SI Beschreibungen auf Englisch. Bisher waren diese nur auf Italienisch verfügbar. 





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