Gaundalen bis Gäddede
Wegloses Abenteuer
22.07.2023 Über eine nicht mehr existente Telegraphenleitung nach Gjefsjøen
Vor Jahren hatte ich mich darauf gefreut eines Tages Relikte längst vergangener Tage als alternative Wegmarkierung zu benutzen. 2022 erfuhr ich mit Schrecken, dass die alte Telegraphenleitung zwischen Gaundalen und Gjefsjøen abgebaut wurde. Diese wurde viele Jahre von Wanderern als Orientierungshilfe zwischen den beiden Höfen mitten im Nirgendwo genutzt. Daher musste ich dieses Wegstück ohne diese Hilfe bewältigen.
Nach einer erholsamen Nacht in meiner Cabin, verabschiedete ich mich von Eldbjøerg und dankte für ihre Gastfreundschaft. Um acht Uhr lief ich los und folgte dem zunächst noch sehr offensichtlichen Trail bergauf. Denn in den Wanderkarten ist ein Weg eingezeichnet, doch aus Berichten weiß ich, dass dieser nur teilweise existent ist.
So war es auch, denn auf der ersten großen Wiese verlor sich der Pfad. Zumindest fand ich ihn nur sporadisch wieder. Ich lief also querfeldein, einmal ging ich zu weit nach rechts und musste durchs Birkendickicht zurück.
Zwischendurch waren vereinzelt noch Reste der alten Telegraphenleitung zu sehen. Zur Orientierung taugten diese aber nicht.
Der Weg zum Pass zog sich etwas und leider machte sich auch wieder meine linke Hüfte auf schmerzhafte Art und Weise bemerkbar. Eine kurze Pause schaffte Abhilfe.
Bergab empfand ich die Orientierung als bedeutend einfacher, da Holden schon aus der Ferne sichtbar war. Ich musste also nur in die richtige Richtung laufen.
Umso tiefer ich kam, umso sumpfiger war das Gelände. Der Fluss vor Holden war zum Glück mit einer doppelten Brücke versehen.
In Holden genoss ich die schöne Aussicht und warf einen Blick ins Hüttenbuch. Die Einträge vergangener NPL-Wanderer interessieren mich besonders.
Zunächst fand ich den Einstieg nicht und lief querfeldein über die Blumenwiese. Irgendwie tue ich mich manchmal schwer damit den richtigen Weg zu finden, insbesondere wenn es viele Abzweigungen gibt. Dann aber fand ich einen überraschend guten Pfad vor. So macht das Spaß! Die sumpfigen Wiesen durften natürlich auch nicht fehlen. Auch heute sah ich den ein oder anderen Frosch. Die fühlen sich im Nass pudelwohl.
Aber auch dieser Trail verschwand zwischenzeitlich immer mal wieder. Bergab war das Gelände trotz Bewaldung weitläufig und die Orientierung wurde dadurch vereinfacht. Den See Gjefsjøen sah ich schon von Weitem.
Am Ufer des Sees wurde der Weg wieder für längere Zeit sichtbar. Im Wald war er sogar trocken. Einen Bach galt es noch zu queren, doch da sollte doch irgendwo eine Brücke sein? Diese sollte allerdings nicht am Weg, sondern mitten im Wald sein... Ich schlug mich ein Stück durchs Dickicht, dann hatte ich keine Lust mehr und querte den niedrigen Bach ohne Brücke.
Bis Gjefsjøen war es nun nicht mehr weit. Doch kurz vorher nutzte ich noch die Gelegenheit für ein kurzes Bad im kalten See.
Am Hof angekommen begrüßte mich Christian Gjefsjø freundlich. Ich hatte zuvor per Mail angefragt, ob ich wie Daniel, Simone und Stefan ebenfalls im Restaurant auf einer Matratze nächtigen kann, was bejaht wurde. Christian erlaubte mir stattdessen in einer noch unfertigen Cabin zu nächtigen. Das Schlafzimmer und Teile der Küche sind schon fertig, das Bad fehlt jedoch. Aufs Klo muss ich also im anderen Haus. Im Vergleich zum Zelt jedoch viel komfortabler.
Gjefsjøen und Gaundalen sind wahre Oasen in der doch oft menschenfeindlichen Wildnis.
23.07.2023 Wildnis ohne Weg
Die Wettervorhersage hatte Recht und es begann in der späten Nacht zu regnen. Zudem war die Sicht stark getrübt. Da ich bei dem ungemütlichen Wetter nur wenig Motivation verspürte, schlief ich bis halb neun und startete erst um halb zehn. Es regnete immer noch.
Auch diesmal orientierte ich mich am Track von Renée. Zunächst musste ich noch rund zwei Kilometer auf dem Wanderweg bewältigen, dann ging es ab einer großen Lichtung im Wald weglos weiter.
Der Anfang war nicht leicht, da ich mir durch ein Sumpfgebiet bergauf den Weg suchen musste. Als ich etwas höher war, wurde das Gehen und navigieren prompt leichter.
Knapp unterhalb vom Littfjellet folgte ich immer der Bergflanke. Nördlich vom Finnbuhøgdin querte ich einen breiten aber flachen Bach. Anstrengender war es, sich durch das Dickicht der Fjellbirken zu kämpfen. Zum Glück war das nur kurz nötig, denn das bewaldete Gebiet hatte ich schnell hinter mir gelassen.
Linkerhand querte ich den großen Snaufjellvatnet ein gutes Stück oberhalb. So konnte ich in dem Bereich die Sümpfe effektiv vermeiden. Zwischendurch machte ich trotz des Nieselregens eine kurze Pause, aber nur etwa fünf Minuten. Danach wurde es mir zu kalt.
Gegen Mittag hörte der Regen dann langsam auf und nach und nach wurde sogar die Sicht etwas besser. Auch den Narrajaevrie querte ich linkerhand. Nördlich davon gefiel mir die Route, die mein Track vorschlug nicht, denn dann hätte ich durch ein ausgedehntes Sumpfigebiet wandern müssen. Nein, lieber nicht! Dieses umrundete ich stattdessen großzügig. Dabei war der Weg durchaus anspruchsvoll, denn es galt Blockgestein zu überwinden. Auch den Fjellbirken wich ich immer wieder aus. Schnell kommt man hier nicht vorwärts.
Als dies geschafft war, gönnte ich mir zunächst eine kurze Pause. Sogar die Sonne ließ sich kurz blicken und mit ihr die Mücken. Socken ausziehen vermied ich lieber. Der Bielrienjaevrie wurde rechterhand gequert, zuvor musste ich noch dessen Abfluss überwinden. Auch diesmal gab es immer wieder Felder mit Blockgestein zu bewältigen. Zudem wuchs hier Farn. Der Nachteil ist, dass man den Untergrund nicht sieht und entsprechend vorsichtig sein sollte.
Als Ziel des Tages hatte ich mir die Mitte zwischen zwei weiteren Seen vorgenommen. Um diese zu erreichen, musste erneut ein Bach überquert werden.
Kurz darauf fand ich eine idyllische Zeltstelle. Dank des Windes blieben die Mücken fern. Zwischendurch gab es ein paar Strahlen Sonne. 🌞 Ich weiß nicht, wie viele Kilometer ich heute gelaufen bin, vermutlich etwa 23km. Vielleicht etwas mehr, da ich auf meinem Weg nicht exakt gerade gehe.
24.07.2023 Begleitung
Die Nacht war erholsam und mit frischer Kraft startete ich in den Tag. Anfangs war das Gelände gut zu begehen. Bewachsener Untergrund wechselte sich mit großen Steinplatten ab.
Mehrere Moorschneehühner konnte ich in Ruhe beobachten, da diese nicht so weit flüchteten. Blieb ich nach ihrem Aufschrecken stehen, beruhigen sie sich irgendwann wieder.
Lange Zeit querte ich in der Nähe einer Bachgrabens unterhalb des Urddalsfjellet. Es ging bergauf und einige steile Rinnen wollten überwunden werden. Dies machte Spaß, schnell kam ich aber nicht vorwärts.
Später auf der anderen Hangseite fand ich mich auf der falschen Seite einer steilen Rinne wieder. Ich suchte mir eine passende Stelle, wo ich vorsichtig runter kraxeln konnte und wechselte die Seite. Anschließen endete ich in einem kleinen Tal, in dem sich mehrere Bäche kreuzten. Dort sah ich Fußspuren und eine Art Weg. Prompt war ich jedoch in die falsche Richtung gelaufen und musste ein Stück zurück gehen, um anschließend eine Steilwand er erklimmen. Dazu suchte ich mir eine möglichst leichte Stelle.
Nachdem ich wieder "on Track" war, kam ich einige Zeit gut vorran. Irgendwie erblickte ich einen See und verwechselte diesen fälschlicherweise mit einem See auf meiner Karte. Erst auf der Hälfte der Strecke fiel mir mein Fehler auf. Ärgerlich über meinen Irrtum korrigierte ich meinen Kurs. Es dauerte eine Weile bis ich wieder "on Track" war.
Zwischendurch machte ich trotz des sonnigen Wetters nur kurze Pausen, denn auch unzähligen Mücken gefiel das Wetter. Zu meinem Leidwesen.
Insbesondere als ich zwei namenlose Seen (im Blog von Daniel Koch "Scream-See" und "Delphin-See" genannt) querte waren diese ganz besonders lästig. Vor dem "Scream-See" sah ich mehrere tolle Zeltplätze, doch dafür war es noch viel zu früh.
Der nächste größere Abstieg war anspruchsvoll, denn das Gelände war steil und felsig. Aber es gelang mir einen gangbaren Weg zu finden.
Unten im Tal traf ich Nadja (Instagram: Nadjawayout) an. Schon viele Tage lang, hoffte ich darauf, sie eines Tages einzuholen, damit wir uns persönlich kennenlernen. An diesem Tag war es mir gelungen.
Den restlichen Tag liefen wir gemeinsam, wobei wir Zwischenzeitlich einen Wanderweg folgen konnten. Dieser war aber irgendwann nicht mehr erkennbar und wir schlugen uns durch Sümpfe und Gestrüpp ins Tal. Dort betraten wir zum ersten Mal seit vielen Tagen wieder eine Schotterstraße.
Die Zeltplatzsuche war eine große Herausforderung, da fast alle Wiesen sumpfig waren oder das Gelände uneben war. Schlussendlich fanden wir dann doch noch eine normale Wiese, auf der wir unsere Zelte aufschlugen. Die fliegenden Vampire trieben uns rasch ins Innere. Das ist ein großer Nachteil an einer Wanderung im sommerlichen Norwegen: Wenn das Wetter gut ist und man einen schönen Zeltplatz gefunden hat, muss man sich trotzdem ins Innere verziehen und kann den tollen Spot kaum genießen.
25.07.2023 Hiker's Heaven
Auch das Frühstück musste im Inneren stattfinden. Und als wir die Zelte abbauten, fing es tatsächlich an zu regnen. Es dauerte auch im Anschluss noch eine Weile, bis es aufhörte.
Auf der Forststraße störte uns dies aber nur wenig. Der Weg war monton und so vertrieben wir uns die Zeit mit reden. Das klappte sehr gut, denn urplötzlich war auch schon die Asphaltstraße nach Sandvika erreicht. Dort mussten wir unsere Gespräche immer wieder aufgrund von vorbeifahrenden Fahrzeugen unterbrechen.
In Sandvika kauften wir zuerst ein paar Nahrungsmittel im Matroken ein. Und beiden fielen die im Vergleich zu den größeren Läden teureren Preise negativ auf.
Anschließend machten wir uns auf dem Weg zum Liverten-Imbiss. Dort sollte es laut Berichten anderer Hiker für NPLer ein kostenloses Buffet geben. Wir fragten, ob es ein spezielles Angebot gäbe, wurden aber enttäuscht. Es gäbe nichts spezielles für NPLer, uns wurde stattdessen ein Kebap-Gericht empfohlen, für welches wir den normalen Preis zahlten. Dazu gab es eine Zimtschnecke und einen Kaffee. War dies das Angebot? Keine Ahnung. Das Essen schmeckte durchaus gut, aber wir waren schon etwas enttäuscht.
Leider mussten sowohl ich als auch Nadja feststellen, dass bei Komoot plötzlich bereits herunterzuladene Offline-Karten nicht mehr verfügbar waren. Zoomte man den Ausschnitt heran, sah man keine Topo-Karte. Bei mir war auch gerade noch der nächste Tourabschnitt betroffen, was mich deutlich unter Stress setzte. So ein Versagen der Technik ist echt ärgerlich! Daher suchten wir beide den Supermarkt mit seinem WiFi erneut auf, um betroffene Karten neu herunterzuladen.
Um 14 Uhr brachen wir dann auf in Richtung Kvelia. Die Strecke führte komplett über Asphalt und war entsprechend langweilig. Aber die Schuhe blieben trocken!!
In Kvelia besuchten wir den örtlichen Supermarkt und man wies uns direkt auf die dortige Übernachtungsmöglichkeit in einer kleinen Hütte hin. Dieses Angebot nahmen wir dankend an und verstauten vor dem Einkauf unsere Rucksäcke in der Hütte. Es gibt im Keller des Supermarktes sogar eine Münzdusche, die wir beide ausführlich nutzen. Apropos Sauberkeit: dies ist einer der großen Nachteile auf Tour. Die meiste Zeit schwitzt man und riecht entsprechend streng. Die Möglichkeiten sich unterwegs zu duschen sind rar und so wird jede Gelegenheit zu einem Highlight. Noch seltener findet sich nur eine Waschmaschine.
Der kleine Supermarkt ist übrigens so gut ausgestattet, dass man problemlos einen vollen Resupply für mehrere Tage hinkriegt.
26.07.2023 Schweden?!
Der Abend war ausgesprochen gemütlich. Am nächsten Morgen bot uns Roland eine Tasse Kaffee an, die wir natürlich annahmen. In dem Zusammenhang zeigte er uns die sehr hochwertigen Wollfilzprodukte, die er und seine Frau selbst herstellen. Wir fragten ihn zu den Theaterstück "Pe-Torsa", welches jedes Jahr im Dorf an vier Tagen aufgeführt wird und bis zu 8000 Gäste aus verschiedenen Nationen anlockt.
Daher kamen wir auch erst um halb zehn los, doch starteten Nadja und ich in unterschiedliche Richtungen. Sie möchte ganz klassisch nach Røyrvik und dann durchs Børgefjell. Ich hingegen habe mich für einen Umweg über die schwedische Seite entschieden. "Warum das?", mag sich mancher fragen.
Wenn ich den klassischen Weg gehen würde, würde dies etwa 80km auf Straßen mit überwiegend Asphaltbelag bedeuten. Gehe ich hingegen über Schweden, kann ich den Straßenanteil um 50% reduzieren und den des Asphaltes noch um deutlich mehr.
So folgte ich einer Schotterstraße am Kvesjøen entlang, welcher ich eine gefühlte Ewigkeit folgte. Ein Hörbuch lenkte von dem montonen Weg ab. Zwischendurch machte ich sehr viele Pausen, diese motivierten an diesem Tag mehr als der Weg selbst.
Am frühen Mittag erreichte ich die Asphaltstraße, der ich nun "nur noch" 12km folgen musste. Zum Glück gab es am Straßenrand viele Ferienhäuser mit Bänken, die zur Rast einluden. Eines hatte sogar eine Schaukel!
Die letzten Kilometer zogen sich gefühlt in die Länge, obwohl ich an sich flott Strecke machte. Aber mit der Zeit ist das so eine Sache. Im Fjell vergeht die Zeit gefühlt schnell und auf der Karte komme ich nur langsam vorwärts. Auf der Straße hingegen gehe ich zwar 4-5 Kilometer pro Stunde, aber die Stunde und Minuten vergehen gefühlt nur langsam.
Zu allem Überfluss schmerzte der rechte Fuß immer mehr. "Gleich bin ich da." murmelte ich mir selbst zu. Das "gleich" dauerte gefühlt lange, aber dann erreichte ich um 16 Uhr doch endlich den Campingplatz in Gäddede.
Nachdem ich mein Zelt aufgebaut hatte, kaufte ich im örtlichen ICA für 5.5 Tage ein. Zum Abendessen gab es Pizza. Der Hunger war aber schneller als die Kamera. 😉
Tja, und am rechten großen Zeh hatte sich eine Blase gebildet. Bei den Sumpfwanderungen mit klammen Socken und nassen Schuhen ist mir das nicht passiert....
GPX-Track: Klick
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