GPT 36 Ruta de los Pioneros
Dieser Etappe sah ich mit deutlichen Zweifeln entgegen, denn die überwiegende Anzahl der Tage sollte es regnerisch werden. Keine guten Bedingungen für mehrere Tage am Stück in der Wildnis. Aber nun gut...auch sowas gehört halt irgendwie dazu.
20.01.2025 Regen oder Sonnenschein?
Mit einem öffentlichen Bus konnte ich die ersten 34 von 49km auf der Straße überspringen. Ein anderer GPT-Wanderer hatte mir eine Nummer gegeben, mit der er für 20.000 Pesos die kompletten 49km überspringen konnte. Leider hatte ich keinen Erfolg bei meiner Anfrage. Die letzten 15km auf der Straße musste ich tatsächlich laufen, nur ein Auto fuhr vorbei, hielt aber nicht an. Nach drei Stunden hatte ich die Straße überwunden und konnte die dramatisch anmutenende Gletscherlagune Calluqueo bestaunen.
Und das Wetter? Statt des vorhergesagten Regens gab es reichlich Sonnenschein und das viele Stunden lang. Vermutlich kommt das schlechte Wetter erst am Abend.
Nach der Straße folgte ein kurzes Stück einer Fahrspur, ehe der richtige Weg der Ruta de los Pioneros anfing. Der Beginn war zu meinem Leidwesen mit sehr vielen Spikees überwuchert. Dann kam auch gleich die erste Flussquerung. Aufgrund des gräulich verfärbten Wassers sah es schlimmer aus, als es war.
Es dauerte nicht lange, da kam schon die nächste, ganz ähnliche Querung. Zwischendurch verlor ich den Weg, denn stattdessen war ich einem anderen Weg gefolgt, der nicht in der Karte eingezeichnet ist.
Die Stimmung war nicht sonderlich gut. Ich war genervt von der Wanderung auf der Straße, genervt von den Spikees und auch von den Flussquerungen. Zudem hätte ich Arno gerne vorgeschlagen, heute bei dem unerwartet gutem Wetter zu paddeln, anstatt nichts aktives zu machen, weil ja ein Regentag vorhergesagt war. Ich wünsche mir, dass auch er viele tolle Outdoorerlebnisse genießen kann.
Kurz von Rindern verfolgt:
Ich überlegte hin- und her, wie weit ich noch gehen sollte, solange das Wetter noch hält. Würde ich es sogar noch über die Querung des Rio Pedregoso schaffen? Wohl eher nicht, es war bereits 18 Uhr und es wären bis dahin noch 12km. Als sich die Wolken vor und hinter mir immer höher auftürmten, entschied ich mich, alsbald einen Zeltplatz zu suchen. Ein Puesto wurde von einem aggressiven Hund bewacht, dort also nicht. Etwas weiter im Wald konnte ich mir eine kleine Stelle freiräumen. Ich achtete darauf, keine noch so kleine Mulde zu wählen, wo sich im Regen das Wasser sammelt. Es fing an zu donnern und ich baute eilig auf.
Überraschend blieb noch Zeit draußen zu kochen und zu essen, ehe es anfing stark zu regnen. Und dann regnete es wirklich wie aus Eimern. Seltsamerweise bildete sich trotz der durchdachten Zeltplatzwahl zwischen Apsis und Innenraum eine ganz kleine Pfütze. Obwohl ich keinerlei Leckage feststellen konnte. Wie kann das passieren? Saugt sich der Boden einfach voll und leitet das Wasser weiter zu Stellen, die eigentlich trocken sein müssten? Immerhin versickerte es schnell wieder.
21.01.2025 Gletscherschau mit Stippvisite in Argentinien
In der Nacht bildete sich sehr viel Kondenswasser im Zelt, kein Wunder bei dem Regen. Als ich loslief, fluchte ich erst etwas, denn ich fand den Weg nicht gleich. Es ging eher unspektakulär bei dichter Bewölkung durch den Wald. Erst nach zwei Stunden konnte ich in Richtung des Passes sehen, wo ich hochmusste.
Den Rio Pedregoso furtete ich an einer Stelle, wo er sich in mehrere Arme aufteilt. Als ich mich vorbereitete, sah ich auf der anderen Seite ein Tier laufen: etwa so groß wie ein Hund mit gelblicher Farbe. Zwei Sekunden später war es verschwunden. Was das wohl für ein Tier war? Die Furt gestaltete sich einfacher als gedacht.
Danach ärgerte ich mich wieder etwas, weil ich den richtigen Weg nicht gleich fand. Steinmännchen führten mich in die irre, als ich den richtigen Weg gefunden hatte, wurde die Orientierung einfacher. Ich näherte mich der kargen Passhöhe. So langsam stiegen auch die Wolken auf und ich konnte etwas von der Umgebung erkennen.
Blick zurück auf den Weg hoch:
Auf ca. 1300m trocknete ich mein Zelt, indem ich es in den Wind hielt. Kalt föhnen quasi. Das funktionierte sogar ganz gut.
Blick zurück zum Gletscher:
Nachdem ich den Pass erklommen hatte, ging es für drei Kilometer durch Argentinien. An anderen Grenzen wäre das problematisch, aber hier interessiert es keinen. Dann kam sogar die Sonne raus - toll!
Bergab war der Trail sehr gut erkennbar und es lief sich richtig gut. Ich wollte das gute Wetter ausnutzen und Strecke machen. Ein anderer GPT-Wanderer hatte mir gesagt, er hätte kleine Pumas in der Nähe der Furt vom Rio Bravo gesehen, doch ich erblickte sie nicht. Aber wer weiß, vielleicht habe ich bei der anderen Querung bereits einen gesehen ;)
Die Furt war ok, nur etwas mehr als kniehoch. Um den Fluss nicht noch zwei weitere Male furten zu müssen, blieb ich auf der Seite und folgte vagen Tierpfaden durch den Wald. Das war anstrengend, klappe aber ganz gut.
Bald wurde es richtig einfach: flach und trocken. Die Vegetation mit den niedrigen Krähenbeeren gefiel mir richtig gut. Der Blick zurück erstaunte mich: ein riesiger Gletscher baute sich am Horizont auf.
Zum Schluss ging es steil den Hang hinauf, ehe es am Hang entlang durch den Wald ging. Der Weg war gut sichtbar und ich kam relativ gut vorwärts. Einsam war es, ich sah den ganzen Tag niemanden.
Die Zeltplatzsuche gestaltete sich schwierig. Dann fand ich im Wald eine trockene und einigermaßen flache Stelle. Draußen aufhalten konnte ich mich nicht, es war extrem mückig. 31km hatte ich sogar geschafft. Für andere Trails mag das nichts besonderes sein, beim GPT ist die Situation eine andere. Man kann nicht einfach stumpf von A nach B laufen. Man muss Flüsse furten, den Weg suchen, überwachsene Abschnitte bewältigen und Markierungen gibt es nur höchst selten. Arno teilte mir mit, dass die Schuhe immer noch nicht angekommen sind. Das bereitete mir große Sorgen. Dabei hatte ich das neue Paar bereits vor elf Tagen bestellt, da mein jetziges ziemlich kaputt ist.
22.01.2025 Rio Bravo und Lago Alegre
Die Nacht war erholsam und bei dichter Bewölkung ging es los. Das Inreach hatte mir leichten Regen vorhergesagt, am Donnerstag sollte allerdings noch mehr Regen fallen. Keine guten Aussichten. Es fing auch schon bald an zu regen, aber nur leicht.
Der Weg blieb, wie er gestern geendet hatte: in leichtem Auf- und Ab am Hang entlang. Dabei galt es zahllose umgestürzte Bäume zu überklettern oder zu umgehen. Nervig war es, wenn der Weg sich zwischen einem Wirrwarr an umgefallenen Bäumen verlor. So wir in etwa hier:
Immer ging es mehr oder weniger in der Nähe vom Rio Bravo entlang. Dieser war nun nicht mehr furtbar.
Am frühen Nachmittag musste ich einen ein Kilometer langen Bereich überwinden, wo junge Buchen den Weg völlig überwuchert haben. Am Boden war noch eine Spur erkennbar, mehr aber auch nicht. Dummerweise habe ich meine Regenhose dazu nicht angezogen. Innerhalb weniger Minuten war meine Trekkinghose komplett durchnässt, ebenso meine Schuhe und Socken. Es hatte zwar zwischenzeitlich aufgehört zu regnen, jedoch waren die Blätter noch total nass. Nach diesem Stück musste ich meine komplette Hose sowie die Socken auswringen, so vollgesogen waren sie. Ich ärgerte mich über meine eigene Blödheit.
Das war der "Weg" zwischen den Buchen:
Lago Alegre:
Ganz überraschend kam dann für ein paar Minuten die Sonne raus, als ich oberhalb vom riesengroßen Lago Alegre lief. Spontan nutzte ich die Gelegenheit und machte eine Pause. Lange hielt das Glück nicht, die nächsten dunklen Wolken waren schon im Anmarsch.
Es blieb aber noch trocken und ich schaffte es tatsächlich die nasse Hose wieder trocken zu kriegen. Die Socken aber nicht. Der Ausblick hier oben war mehr als herrlich.
Kurz bevor ich mir um 19 Uhr nach 28km einen Zeltplatz suchen wollte passierte das Unglück: ein kleiner Bach musste gequert werden und ich balancierte auf einem Baumstamm zur anderen Seite. Mit einem Fuß rutschte ich aus und landete mit einem Bein im Wasser. Die gerade erst trockene Hose war wieder nass! Ärgerlich wrung ich das nasse Hosenbein aus und machte mich auf die Suche. Unter Bäumen nahe des Sees schlug ich mein Zelt auf, direkt danach fing es an stärker zu regnen. Eigentlich meide ich Zeltstellen in der Nähe von solch großen Gewässen lieber, hier hatte ich jedoch keine Wahl. Oben am Berg ist das Gelände nämlich zu steil und zudem dicht bewachsen.
23.01.2025 Labyrinth aus Fels, Gestrüpp und Sümpfen am Lago Christie
Das Inreach verriet mir, es sollte heute den ganzen Tag leicht regnen, ab Freitag Nachmittag sollte es so richtig gießen. Die Wettervorhersage wurde also nicht besser.
Das Gelände rund um den Lago Alegre ist sehr zerklüftet und so ging es beständig rauf- und runter. Immer mal wieder war der Weg leicht überwachsen. Die Ausblicke waren wunderschön, schnell war ich aber nicht. Ich schaffte kaum mehr als 2km pro Stunde. Hier ein paar Impressionen vom Zustand des Weges.
So sieht es z.B. aus, wenn der Zustand gut ist:
Hindernis durch umgestürzten Baum, der umgangen werden muss:
Toller alter Bohlenweg:
Leicht zugewachsen:
Am Lago Christie blieb das Gelände so ähnlich. Im Prinzip lief ich durch ein Labyrinth, welches aus Felsen, Sümpfen und Sträuchern besteht. Ohne den Weg wäre ich hier ganz schön aufgeschmissen!
Der erste Anblick vom Lago Christie überraschte mich positiv mit seiner helltürkisen Farbe. Gegen Mittag kam sogar für ganz wenige Minuten die Sonne raus. Die Gelegenheit musste ich nutzen, um das Zelt vom nächtlichen Regen zu trocknen. Mehr als fünf Minuten hatte ich dazu nicht Zeit, denn es regnete zwischendurch immer wieder leicht.
Essbare Beeren, die ein bisschen wie Äpfel schmecken:
Nachdem ich am späten Nachmittag ein kaputtes Shelter erreicht hatte, verzweifelte ich fast daran, den Weg zu finden. Mehrere Trampfelpfade führten in verschiedene Richtungen, aber das GPS wollte mich mitten ins Gestrüpp leiten. Ich musste fast weinen, so erschöpfend war die Situation mental, als ich eigentlich flott zum Camp kommen wollte. Schlussendlich kletterte ich über umgefallene Sträucher und kämpfte mich durchs Gebüsch, bis ich wieder auf einem richtigen Weg stand. Keine Ahnung, ob der GPX-Track hier überhaupt richtig war.
Bergab wurde es endlich leichter. Ich beeilte mich, denn der Wind hatte inzwischen gehörig aufgefrischt und drückte mich richtig von hinten. In der Nähe vom Ufer sollte es ein Shelter geben. Ich fand es, aber der Name Shelter ist sehr optimistisch für den brüchigen Vorschlag aus langen Hölzern (siehe links im Foto). Es erinnert eher an die Shelter bei 7 vs. Wild, nur 10 Jahre später. Sorgsam baute ich das Zelt auf und verkroch mich vor dem kalten Wind ins Innere. Es waren 21 schöne aber auch nicht einfache Kilometer.
24.01.2025 Auf der Straße nach Villa O'Higgins
Der Wald schützte gut vor dem starken Wind und ich konnte erholsam schlafen. Die letzten vier Kilometer bis zum Anfang der Straße am südlichen Ufer vom Lago Christie schaffte ich in 90 Minuten, denn der Weg war vergleichsweise einfach. Hinter mir türmten sich dunkle Wolken auf, die immer mal wieder ein paar Regentropfen fallen ließen. Dadurch entstanden wundervolle Regenbögen. Der Wind schob von hinten ordentlich an und dann hatte ich es geschafft.
Auf der Straße musste ich mehrfach die Kleidung wechseln, mal war es zu kalt, dann wieder zu warm. Mal fing es an zu regnen, dann kam wieder die Sonne raus. Ich kam am Salto Perez an einem PKW mit Dachzelt vorbei und hoffte darauf, die Fahrer würden mich auf dem Rückweg mitnehmen.
Salto Perez:
Die Sonne bekam für ein paar Stunden die Überhand. Das Auto mit Dachzelt fuhr tatsächlich zurück, hielt aber nicht an. Später kam mir ein PKW mit zwei Chilenen entgegen. Sie hielten an und sagten, sie würden mich auf dem Rückweg mitnehmen. Das erleichterte mich, denn die 50km bis Villa O'Higgins würde ich ansonsten nicht an einem Tag schaffen. Unterwegs kam ich an drei kleinen Refugios vorbei, die Schutz bei schlechtem Wetter anbieten.
Ich wollte aber das gute Wetter noch ausnutzen. Ein anderes Auto kam vorbei, wendete aber bloß. Kurz danach kamen Luis und Carmen von vorhin zurück und hielten an. Erleichtert stieg ich ein.
Doch dann passierte das Unglück. Mitten auf der Fahrt platzte ein Hinterreifen. So ein Mist aber auch! Als mir Carmen berichtete, Luis arbeite in einer Autowerkstatt, gewann ich an Zuversich. Und tatsächlich schaffte er es das Loch zu finden und zu flicken. In Villa O'Higgins bedankte ich mich und stieg beim Campingplatz aus. Inzwischen regnete es kräftig. Da stimmte dann die Vorhersage.
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